Das rote Hamburg ist bedroht

UMWELT Alte Häuser klimafit zu machen heißt oft, sie von außen zu dämmen. Um die typischen Backsteinfassaden zu erhalten, arbeiten Denkmalschützer an neuen Lösungen

VON KATHARINA HECKENDORF

Der Kampf gegen den Klimawandel bedroht das Gesicht Hamburgs. Um den CO2-Ausstoß zu senken, sollen die Häuser energieeffizienter werden, was oft genug einfach heißt, der Eigentümer packt eine dicke Schicht Wärmedämmung auf die Fassade. Für die norddeutschen Backsteinstädte könnte das fatal sein. „Wir erkennen in dieser schleichenden und allmählichen Veränderung des Stadtbildes einen Wandel vom ortstypischen Charakter zur charakterlosen Beliebigkeit“, warnte die Fritz-Schumacher-Gesellschaft, die sich dem architektonischen Erbe verpflichtet sieht, in einem Backsteinmemorandum.

Rund 40 Prozent der Endenergie in Deutschland werden von Gebäuden verbraucht; Gebäude sind für rund ein Drittel des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Deshalb sollen sie jetzt beklebt, verputzt und angemalt werden. Die oftmals reich verzierten Fassaden verschwinden hinter Styropor und Mineralwolle. Die Proportionen der Gebäude verändern sich durch die Dämmschichten. „Wir verlieren damit einen Großteil unserer baulichen Identität“, warnt Albert Schett vom Hamburger Denkmalschutzamt. Dies sei ein Irrweg: Er bezweifelt, dass eine solche Dämmung langfristig die Energiebilanz verbessert: Schließlich hielten die Verbundsysteme nur etwa 35 Jahre und müssten dann als Sondermüll entsorgt werden.

Die Hamburger Häuser aus der Zwischen- oder Nachkriegszeit wurden von Architekten wie Fritz Schumacher und Gustav Oelsner geplant. Sie prägten damit das Gesicht der Stadt. Schumacher war in den Jahren 1924 bis 1933 Oberbaudirektor Hamburgs. Er plante mehrere Großsiedlungen wie den Mietwohnungsbau der Jarrestadt und in Dulsberg. Solche Bauten sind meilenweit von modernen Wämeschutzstandards entfernt.

Lediglich 2,7 Prozent der Häuser in Deutschland sind denkmalgeschützt, stadtbildprägend sind aber weitaus mehr. Die Fritz-Schuhmacher-Gesellschaft setzt sich seit Jahren für deren Erhaltung ein. „Wir möchten in den Köpfen etwas bewegen, dass sie verstehen, dass die Klinker einen Wert haben – für die Stadt, die Architektur und das Image“, sagt Hans-Günter Burkhardt, Vorsitzender der Gesellschaft.

„Es gibt so viele Gebäude in Hamburg, die noch saniert werden müssen. Wieso verpackt man ausgerechnet die Schumacher-Häuser als erstes?“, fragt Dora Heyenn von der Hamburger Linken. „Eine einmal verkleisterte Backsteinfassade ist nicht mehr zu retten“, sagt sie.

Denkmalschutz und Stadtentwicklungsbehörde loten deshalb neue Ansätze aus. Denn die bisher entwickelten Lösungen sind unbefriedigend: Klinkerriemchen, Steinplättchen, und Backstein-Strukturtapete aus Kunststoff sind bloß Attrappen.

Mögliche Ansätze sind eine Dachstuhlsanierung, neue Fenster oder neue Heizungsanlagen, die die Energiebilanz eines Hauses verbessern können. Schließlich geht nicht nur über die Fassaden Energie verloren. Diese alternativen Maßnahmen, die die Klinkerfassaden erhalten können, sind allerdings teuer.

Der Denkmalschutz will im nächsten Jahr einen Leitfaden herausgeben, um Bauherren und Eigentümern verschiedene Lösungswege zu zeigen. Derzeit werden an fünf verschiedenen Klinkergebäuden die Feuchtigkeit und die Temperatur in den Gemäuern getestet.

Einen ersten Schritt hat auch die Stadtentwicklungsbehörde schon getan: Die Sanierung eines Frankschen Laubenganghauses in der Jarrestadt wurde mit 919.000 Euro subventioniert. Da aber nur herausragende Bauten mit einer solchen Vorzugsbehandlung rechnen können, ist offen, an wie vielen anderen Häusern sich auch in Zukunft noch die Geschichte der Stadt Hamburg ablesen lässt.