Erzieherin über stromfreie Kita: "Richtig heiß auf stromlos"

Ein Bremerhavener Kindergarten erprobt das Leben ohne Strom: ein Gespräch mit der Erzieherin über die Eon AG, Eltern und Anregungen aus dem Heimatmuseum.

Geht auch anders: Die Kita in Bremerhaven stellte ihren Strom selbst her. Bild: dpa

taz: Frau Scholz, wie wird man zu einem stromlosen Kindergarten?

Britta Scholz: Wir haben morgens alle Stecker gezogen, Schilder gemalt und über die Lichtschalter geklebt, damit sie niemand aus Versehen anschaltet. Zwei Kinder waren Türdienst, die Klingel und das Telefon gingen ja auch nicht mehr. Die Gefriertruhe im Keller haben wir allerdings angelassen.

Aber die Küche blieb kalt?

Im Gegenteil: Wir haben draußen ein Feuer gemacht und lecker gegessen. Anschließend standen die Kinder Schlange, um per Hand abzuwaschen. Im Haus selbst haben wir uns Licht mit einem aufgeständerten Fahrrad gemacht. Die Heizung läuft übrigens mit Gas.

Mit dieser Aktion sind Sie einem Appell der Umweltbildungsorganisation Leuchtpol gefolgt, die dieses Jahr zum ersten Mal zum energetischen "Ausnahmezustand" aufrief.

Wir kümmern uns aber ohnehin schon lange um solche Themen. Zum Beispiel ist bei uns jeder mal "Energie-Detektiv" und spürt überflüssig laufende Heizungen und dergleichen auf. Wir untersuchen, welche Stoffe Energie leiten, wie durch Reibung auf einem Luftballon Strom entsteht, haben ein Windrad besichtigt und im Heimatmuseum geschaut, welche handbetriebenen Haushaltsgeräte es gibt. Irgendwann haben die Kinder den Tag dann wirklich herbeigefiebert, sie waren richtig heiß auf stromlos.

49, ist Erzieherin in der Kita Wurster Straße in Bremerhaven und hat dort für einen Tag den Strom ausgestellt.

Insofern hatte er offenbar Event-Charakter. Stellen Sie auch nachhaltige Wirkungen fest?

Wir bearbeiten das Thema ja weiter: Die Kinder wollen unbedingt wieder Wäsche waschen und den Tag wiederholen. Einige Eltern erzählen, dass sie es jetzt zu Hause "schwer" haben: Wenn das Licht unnötig brennt oder Fernseher und Computer ständig laufen, beschweren sich ihre Kinder. Aber auch wenn die Eltern ein bisschen stöhnen - eigentlich finden sie unser Projekt sehr gut.

Das Leuchtpol-Projekt "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Kindergarten" wird von der Eon AG gefördert, die beispielsweise das nahe Ihres Kindergartens gelegene Kernkraftwerk Esensham betreibt. Passt das für Sie zusammen?

Esensham ist nur 30 Kilometer Luftlinie von uns entfernt, das ist in der Tat ein beklemmendes Gefühl. Aber warum soll man denen nicht das Geld aus der Tasche ziehen, um gute Projekte zu machen?

Weil das einen Feigenblatt-Effekt haben kann. Insbesondere für die Eon AG, die gerade die Laufzeitverlängerung mit durchgesetzt hat.

Früher habe ich selbst gegen Atomkraft demonstriert. Aber manchmal muss man aus Geldmangel, auch wenn ich das nicht gut finde, auch zweischneidige Schwerter anfassen.

Im ganzen Land Bremen waren nur drei Kitas bereit, sich auf das Stromlos-Experiment einzulassen. Diese Zurückhaltung ist sicher nicht nur in politischer Korrektheit begründet ...

... sondern in der alltäglichen Überlastung! Man ist als Erzieherin oder Erzieher ja ständig in der Zwickmühle, ganz viel machen zu müssen und zu wollen, aber gar keine Zeit dafür zu haben. Allerdings sind einige Kolleginnen, denen ich von unseren Erfahrungen berichte, sehr interessiert und erstaunt, dass ein solches Experiment gelingen kann.

Wäre es nicht auch sinnvoll, Spielzeuge mit kleinen Solarzellen in den Kindergarten-Alltag zu integrieren?

Durchaus. Da gibt es wunderbare Sachen - die aber leider schnell kaputt gehen können. Und da wären wir dann wieder beim Geldproblem.

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