Schleswig-Holstein streitet über Schulen: Gesetz mit Verfallsdatum

Die schwarz-gelbe Landesregierung bringt die umstrittene Schulreform durchs Parlament. Die Opposition verspricht deren Änderung nach der nächsten Wahl.

Stimmten für das Schulgesetz: Peter Harry Carstensen und seine Regierungsbank. Bild: dpa

KIEL taz | Mit vier Stimmen mehr brachten am gestrigen Mittwoch CDU und FDP im Kieler Landtag ein neues Schulgesetz durch, obwohl die schwarz-gelbe Landesregierung sonst nur über eine Stimme Mehrheit verfügt. Nicht Überläufer, sondern Viren sorgten für den Vorsprung: In den Reihen der Opposition wütete die Grippe heftiger als im Regierungslager. In der Sache blieben die Fronten hart. Während Minister Ekkehard Klug (FDP) erklärte, sein Gesetz bedeute mehr Wahlfreiheit für die Schulen, nannten Gegner es überflüssig und rückwärtsgewandt. Die Novelle, die das zuletzt 2007 geänderte Schulgesetz reformiert, war in den vergangenen Monaten heftig umstritten gewesen. Unter anderem hatte eine Initiative "Schulfrieden" gefordert, das bisherige Gesetz bis mindestens 2013 bestehen zu lassen.

Streit gab es um die Frage, ob das Abitur im Turbo-Tempo nach acht oder klassisch nach neun Jahren abgelegt wird. Das Gesetz sagt: Beides geht. Jedes Gymnasium entscheidet selbst, sogar G8 und G9 parallel sind möglich. Dies entspreche dem Elternwillen, sagte Wolfgang Kubicki (FDP): "Wir geben den Schulen lediglich einen Rahmen vor. Wir sagen also nicht, ,Ihr müsst', wir sagen vielmehr: ,Ihr könnt'." Anke Erdmann (Grüne) konterte, es hätte andere Möglichkeiten gegeben, Kinder zu entlasten. Vermutlich bleiben die meisten Gymnasien beim schnellen Weg zum Abitur, auch wenn im Sommer eine Initiative über 20.000 Unterschriften für die Rückkehr zu "G9" gesammelt hatte. Vor allem aber fürchten die Gegner der Reform um die erst 2007 eingeführten Gemeinschaftsschulen. Denn nach den Sommerferien wird erlaubt sein, dass sie Klassen nach Leistung trennen - bisher galt, dass alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden.

Das neue Schulgesetz dreht nun an mehreren Schrauben, um die Gemeinschafts- und Regionalschulen anzugleichen. Das ist auch Sinn der Sache, erklärte Minister Klug: "Aus Gründen der Demographie können wir uns ohnehin nur zwei Schulen erlauben, neben dem Gymnasium eine Mischform aus Regional und Gemeinschaft." Die wichtigste Schraube ist, dass es Gemeinschaftsschulen, die bis zum Abitur führen sollen, erschwert wird, eine Oberstufe einzurichten. Außerdem sollen künftig Kinder, die vom Gymnasium heruntergestuft werden, zu Gemeinschaftsschulen wechseln können, bisher mussten sie auf Regionalschulen gehen.

Ab nächstem Schuljahr wird sich einiges ändern, unter anderem:

Gymnasien können wählen, ob das Abitur nach acht oder neun Jahren abgelegt wird. Beide Wege sind an einer Schule möglich.

Gemeinschaftsschulen können den Unterricht anders gestalten, unter anderem Klassen oder Gruppen nach Leistung schaffen. Ziel ist, Gemeinschafts- und Regionalschulen anzugleichen.

Gemeinschaftsschulen werden "örtlich zuständige" Schulen, müssen also Kinder aufnehmen, die von Gymnasien kommen.

Die Einrichtung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen wird schwieriger.

Haupt- oder Realschulabschlüsse gelten als erreicht, wenn ein Kind in Klasse 10 oder 11 versetzt wird, eine Prüfung ist überflüssig.

Schulsozialarbeit wird erstmals vom Land gefördert.

Für Anke Spoorendonk (SSW) ein Bekenntnis, dass das System sich einzig an den Gymnasien ausrichte: "Sie nehmen die Kinder, die sie möchten, und geben die zurück, die nicht zurechtkommen." Sie forderte, flächendeckend Gemeinschaftsschulen und Oberstufenzentren einzuführen. CDU und FDP hielten dagegen: Das bedeute eine Schwächung, gar Abschaffung der Gymnasien. Richtig, fand Ulrich Schippels (Die Linke): "Gymnasien sind ein Relikt der Kaiserzeit."

Für die Opposition ist es ein Gesetz mit Verfallsdatum: "Sobald diese Regierung abgewählt ist, werden wir als erstes dies wieder zurückdrehen", versprach SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Auf eine kurze "Restlaufzeit" des Gesetzes hoffte auch der Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Matthias Heidn.

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