Schünemann stoppt Syrien-Abschiebungen

PAUSE Solange die Kämpfe in ihrem Land andauern, können Syrer in Niedersachsen bleiben. Einen offiziellen Abschiebestopp, der dies garantieren würde, scheut die Landesregierung jedoch

Seit 2009 hat Schünemann 406 Menschen nach Syrien abschieben lassen

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat die Ausländerbehörden gebeten, Abschiebungen nach Syrien zu stoppen, bis sich die Lage in dem Land entspannt hat. Nach Bayern ist Niedersachsen das zweite Bundesland, das angesichts der schweren Zusammenstöße zwischen Aufständischen und dem Assad-Regime Rückführungen nach Damaskus zeitweilig aussetzt. Die übrigen Länder dürften in den nächsten Tagen nachziehen.

Fast 1.500 der bundesweit 4.775 ausreisepflichtigen Syrer leben noch in Niedersachsen. Seit 2009 hat Schünemann 406 Menschen nach Syrien abschieben lassen – fast doppelt so viele wie jedes andere Bundesland.

Niedersachsen hielt an dieser Praxis fest, obwohl abgeschobene Syrer in Damaskus reihenweise verhaftet und oft ohne Angabe von Gründen ins Gefängnis gesteckt wurden. Nach Angaben von Amnesty International müssen Oppositionelle dort mit schwerer Folterung rechnen – ein Asylantrag im Ausland wird von den syrischen Behörden als schweres Vergehen betrachtet.

Erst Anfang Februar waren die Kurden Anuar und Bedir Naso aus Hildesheim von ihrer Familie getrennt und abgeschoben wurden. Sie wurden in Damaskus sofort und ohne Angaben von Gründen verhaftet. Der 62-jährige Bedir kam nach 13 Tagen wieder frei, sein 16-jähriger Sohn Anuar blieb über einen Monat allein im Gefängnis.

Der niedersächsische Flüchtlingsrat begrüßte Schünemanns Anweisung. Gleichzeitig kritisierte die Organisation die fehlende Verbindlichkeit: „Es kann nicht zufrieden stellen, dass kein förmlicher Abschiebungsstopp erfolgt ist“, sagte Geschäftsführer Kai Weber. Nur dies hätte den Betroffenen eine gewisse Rechtssicherheit gegeben. So bleibe unklar, wann das Auswärtige Amt einen neuen Bericht über die Lage in Syrien vorlegt und Niedersachsen die Abschiebungen wieder aufnimmt. Das mit dem Assad-Regime geschlossene Rücknahmeabkommen müsse dringend ausgesetzt werden: „Trotz verheerender Menschenrechtsverletzungen in Syrien hält Deutschland an seinem Ziel fest, in Kooperation mit den syrischen Behörden eine Abschiebung der hier lebenden Flüchtlinge zu erreichen“, sagte Weber.

CHRISTIAN JAKOB