Bremer Koalitionsverhandlungenen: Grüne ratlos beim Senatspuzzle

Nach Umweltsenator Reinhard Loskes beleidigtem Abgang tun sich Bremens Grüne bei den Gesprächen mit der SPD schwer, ihre gut begründbaren Machtansprüche mit Nachdruck vorzutragen.

Schwierige Puzzlearbeit für die Grünen: der Bremer Senat - mit abgängigem Mitglied Loske (3. vr.). Bild: dpa/taz [Montage]

BREMEN taz | Sie halten dicht, bei Personalfragen, und das ist bemerkenswert. Denn Personalfragen sind die griffigsten Themen bei Koalitionsverhandlungen - selbst bei denen zur Bildung eines neuen Bremer Senats. Und dort sind sie auch wirklich drängend, zumindest für die Grünen: Kurz nach der Wahl hatte Umweltsenator Reinhard Loske überraschend seinen Abgang angekündigt und eine schmerzhafte Leerstelle hinterlassen.

Dem ehemaligen Vize der Bundestags-Grünen und habilitierten Ökologie-Experten war die Presse nicht devot genug, der Respekt vor seinen bundespolitischen Meriten und seiner wissenschaftlichen Lebensleistung zu gering ausgefallen. Den Medien seien "alle Maßstäbe abhanden gekommen", erklärte er der konsternierten Grünen-Landesmitgliederversammlung am 25. Mai.

Also sitzt jetzt die Öko-Partei da in den Koalitionsverhandlungen: mit historisch gutem Ergebnis, mit zudem durch vierjährigen Verzicht auf einen Staatsratsposten moralisch erworbenen zusätzlichen Ansprüchen. Aber eben auch: ohne Umweltsenator, ja sogar ohne AnwärterInnen auf den B 11-Job.

Dass die Gespräche mit der SPD geprägt sind von extremer Einigkeit im Großen und Ganzen, macht die Lage nicht eben leichter. Denn zu verhandeln ist folglich über Details. An strategischen Details aber entscheidet sich, welcher Ressortzuschnitt sinnvoll wirkt, und wer auf welchen Posten passt. Zu allem Überfluss steht morgen auch noch die Umweltpolitik auf der Agenda.

Vertreten sollen die grünen Kerninhalte die völlig unauffällige umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Maike Schäfer - und der amtsmüde Loske. Außer, die Parteispitze zaubert bis dahin eine Nachfolge-Kandidatin aus dem Hut.

Die männliche Form ist natürlich mit gemeint. Denn es werden zwar Namen gehandelt, bloß bestätigt sich keiner. Manche, wie die kürzlich in Hamburg von der Umweltsenatorin zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden abgestiegene Anja Hajduk, wären wohl willig, sicher qualifiziert und aus vielerlei Gründen fürs Amt geeignet. Nur hat sie ja ihr City-Maut-Projekt durch pedantische Gutachten-Begutachtung versemmelt, und ausgerechnet City-Maut-Pläne haben ihre Bremer Parteifreunde als Duftmarke ins Wahlprogramm geschrieben.

Die meisten Namen tauchen aber nur auf, weil sie wie Reinhard Bütikofer oder Rebecca Harms eben halbwegs prominent sind. Selbstredend verspürt keiner von denen den Drang, die Karriere als besser bezahlte DezernentIn eines Oberzentrums ausklingen zu lassen.

Den Schritt aus den vorderen Reihen der Bundes- oder Europa- in Bremens kommunale Landespolitik hat mit Grund keiner vor Loske je unternommen. Der tat ihn 2007, als Grün außer in Bremen nur in Hamburg mitregierte.

Mittlerweile waren die Umweltressorts von Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu besetzen, und die Berlin-Wahl naht. Muss sich die Bremer Suche also auf die Staatsräteebene oder Kommunalverwaltungen konzentrieren - auf Leute, die sich noch einen Namen machen wollen.

Das dämpft die Neugier. Dennoch erklärt das nicht das vollständige Fehlen von Indiskretionen im tratschfreudigen Bremen. "Solche Verhandlungen brauchen Vertrauensschutz", erläutert die Grünen-Landesvorsitzende Susan Ella-Mittrenga, warum sie "dazu nichts weiter" sage. Vielleicht wären also die Bremer Grünen besonders diszipliniert.

Auch möglich allerdings, dass sie noch nicht fündig wurden: Den Umwelt-Profis der eigenen Fraktion fehlt politische Erfahrung, dem Personal der historischen Ampel-Koalition der 1990er ist man nicht mehr so richtig grün. Und der Wille, den querdenkerischen City-Ortsamtsleiter Robert Bücking von der kommunalen auf die Landesebene zu befördern, hält sich in Grenzen.

Bei den machtpolitischen Geplänkeln am Rande der harmoniebetonten Koalitionsverhandlungen treten die Grünen entsprechend wenig schlagfertig auf. SPD-Gedankenspiele, das Verkehrsressort von Umwelt zur Wirtschaft zu verlagern, werden zwar abgewiesen - aber nicht selbstbewusst mit dem Gegenvorschlag beantwortet, Umwelt, Verkehr und Wirtschaft nach hannoverschem Vorbild unter grüner Regie zu fusionieren.

Wofür sich ja streiten ließe: In Niedersachsens Landeshauptstadt sind, seit der Erz-Grüne Hans Mönninghoff beide Dezernate führt, 12.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Der in Bremen penetrant gehegte, alte Konflikt zwischen Öko- und Handelskammeranliegen wirkt in Hannover wie weggewischt - trotz, laut Bild, "Deutschlands strengster Umweltzone".

Und den Titel "Bundeshauptstadt der Biodiversität" hat man sich nicht selbst gegeben, sondern von der Deutschen Umwelthilfe verliehen bekommen - für den gelungenen Ausgleich zwischen urbanem Flächenfraß und Naturschutz. Mönninghoff allerdings, das darf als sicher gelten, sucht nicht nach einem neuen Wirkungskreis.

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