Versammlungsfreiheit bei der Nationalen Maritimen Konferenz: Grundrechte nur gegen Geld

Für die Nationale Maritime Konferenz hat Wilhelmshaven angeblich gerne Geld aus dem Stadtsäckel bereitgestellt. Veranstalter von Protest-Aktionen müssen dafür zahlen.

Hier zu demonstrieren kostet: der Oceanis-Parkplatz in Wilhelmshaven. Bild: dpa

BREMEN taz | Auch in Wilhelmshaven herrscht Demonstrationsfreiheit - solange es dem Ordnungsamt passt, und sichs die Anmeldenden leisten können: Eine Mahnung hat jetzt Hermann Ralph erhalten. Der Sprecher der örtlichen Linkspartei ist bislang die 17,85 Euro für eine Mahnwache am Freitag, 27. Mai, schuldig geblieben - und will auch fürderhin nicht zahlen.

Dabei kommt er noch günstig weg: Von Rainer Büscher, Oberbürgermeisterkandidat der Piraten und Anmelder des "Anti-Atom-Spaziergangs" am 28. Mai verlangt die stadteigene Touristik-GmbH satte 95 Euro "Überlassungsgebühr" für die Abschlusskundgebung auf dem Oceanis-Parkplatz. Und der Linken-Ratsherr hat die von der Stadt für den "Parallel-Kongress" seiner Partei am selben Wochenende geforderten "etwa 120 Euro Miete" für den Gotthilf-Hagen-Platz direkt bezahlt.

Klar, "wir wollten den halt unbedingt durchziehen", sagt Ralph. Verständlich. Schließlich war der Anlass gesetzt: Am letzten Mai-Wochenende trafen sich die Großkopferten der Hafen- und Schifffahrtsbranche mit der Spitzenriege der Politik zur Siebten Nationalen Maritimen Konferenz (NMK). Das halbe Landeskabinett war da, und sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kam vorbei.

Man feierte sich für den Wachstumskurs nach "extrem ernster Lage", verlieh Lobby-Interessen Nachdruck, und ließ sich laut dpa "frischen Wind ins Gesicht wehen", und "dafür", hieß es freudig erregt in der Nordwest-Zeitung "wird auch gern Geld aus dem Stadtsäckel zur Verfügung gestellt". Wer für inhaltlichen Gegenwind sorgen will, darf so eine Gelegenheit nicht verstreichen lassen - und akzeptiert Vorgaben schneller, etwa die, in die eigene Tasche greifen zu müssen.

Vielleicht war das etwas zu pragmatisch. Denn derartige Gebühren sind laut Bundesverfassungsgericht "Beschränkungen des Freiheitsrechts". Und verfassungsgemäß wären sie nur, wenn nur durch sie ein anderes Rechtsgut gewahrt wird - das aber "im konkreten Fall vorrangig" sein müsste (1 BvR 943/02).

Welches das in seinem Fall gewesen sein soll, kann Ralph nicht erkennen. Ums Geld gehts ihm bei seiner jetzigen Beschwerde "ganz sicher nicht", betont er. Aber wenn die Praxis sich durchsetze, dann könnten feste Mahnwachen wie die regelmäßige Montags-Demo nicht stattfinden. "Finanzschwache Organisationen werden so abgewürgt."

So weit scheint es noch nicht zu sein. Bloß hatte die Stadt kurzerhand entschieden, dass die Gegenveranstaltung zur NMK "keine nach dem Versammlungsrecht privilegierte gewesen" sei, informiert eine Sprecherin. Warum? Das kann sie nicht präzisieren.

Da habe aber "Einvernehmen geherrscht". Diese Einschätzung hat man kurzerhand auf die anderen Protest-Aktionen übertragen - und ist jetzt "irritiert, dass es diese Pressemitteilung von Herrn Ralph gibt".

Denn dessen Mahnwache habe man als "eine Art Werbe-Aktion für die andere Veranstaltung" gewertet, so die Sprecherin. Schließlich plädierte die ja auch "für die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe" - genau wie die Parallelkonferenz.

Und offenkundig passte auch Büschers Kundgebung, die Pläne für Kohlendioxid-Verpressung im Wattenmeer und den Atommüll-Umschlag thematisierte, gut dazu. Sie hätte deshalb sogar in direkter Nachbarschaft zur Linkspartei-Veranstaltung enden sollen - weil, so Büscher, "unsere Demo von einem sehr breiten Bündnis getragen wurde".

Das allerdings passte dem Ordnungsamt auch nicht in den Kram. Man bestand auf räumlicher Trennung, schob vor, für ein Bus-Shuttle zum Konferenz-Ort, der Jade-Weser-Port-Baustelle, werde der Valois-Platz benötigt: Den gabs dann nachher nicht - nur die Polizeiautos parkten dort.

Dafür waren die Demonstrierenden auf der anderen Seite der Bahn auf dem Oceanis-Parkplatz untergebracht, deutlich "räumlich getrennt", wie Büscher moniert. "Die Veranstaltungen sind entzweit worden", so Ralph. "Das hat der Wahrnehmung natürlich geschadet."

Das würde ein Städtewerber genau umgekehrt sehen. Schließlich war die NMK eine tolle Chance sich ins rechte Licht zu rücken. In seiner Rede schwärmte Oberbürgermeister Eberhard Menzel (SPD) davon, vor einem so erlauchten Publikum die "Stärken der Region bewerben" zu dürfen.

Darauf habe Wilhelmshaven "lange gewartet", hatte die Nordwest-Zeitung gejubelt. Und die Wilhelmshavener Zeitung druckte laut Verlag eine Sonderbeilage "mit vier Umschlagseiten im Hochglanzdruck". Und ohne ein kritisches Wort.

"Wir bündeln unsere Stärken", gab Menzel zur Begrüßung der Konferenzteilnehmer Einblick in die städtische Zukunftsstrategie. Im Gegenzug die Front der Kritiker zu zerschlagen, ist da nur folgerichtig.

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