Panne auf See: Greenpeace unter Beschuss

Rakete der Luftwaffe trifft beinahe die Beluga II. Die Umweltschützer waren dabei, ihr künstliches Riff vor Sylt zu untersuchen. Das Seegebiet steht unter Naturschutz, ist aber auch militärisches Übungsgebiet.

Begegnete einer Rakete: das Greenpeace-Schiff Beluga II. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eine Übungsrakete der Luftwaffe ist unweit des Greenpeace-Schiffes Beluga II in die Nordsee gestürzt. Die Besatzung hörte einen lauten Knall und sah wenige Hundert Meter vom Schiff entfernt schwarzes Wasser aufspritzen. Kurz darauf umkreiste ein Jagdflugzeug vom Typ Phantom die Beluga. Die Bundeswehr untersucht den Vorfall.

Im dem Seegebiet gut 70 Kilometer westlich von Sylt, in dem die Beluga operierte, überlagern sich unterschiedliche Nutzungsansprüche. Hier wird gefischt und es finden militärische Übungsflüge statt. Zugleich gehört das Areal zum europäischen Schutzgebietsnetz "Natura 2000". Nach Angaben von Greenpeace befand sich die Beluga aber außerhalb eines weiter östlich liegenden Schießgebietes.

Die Beluga war am 9. Juni am Sylter Außenriff unterwegs, um zu untersuchen, wie sich das künstliche Riff entwickelt, das Greenpeace 2008 hier angelegt hat. Nach einem Tauchgang habe die Besatzung an Deck gestanden, als es plötzlich ohrenbetäubend geknallt habe, berichtet Timo Liebe, der Einsatzleiter von Greenpeace. Dann sei in höchstens 500 Meter Entfernung Wasser hochgespritzt.

Rauchspur überm Schiff

"Ich sah nach oben und entdeckte eine Rauchspur über dem Schiff, die offensichtlich die Rakete gezogen hatte", sagt Liebe. Wenige Minuten nach dem Einschlag sei ein Tiefflieger herangeheult und habe die Beluga umrundet. Offenbar habe er die Lage sondieren wollen. Die Greenpeacer nahmen sofort Kurs auf die Küste. "Uns allen saß der Schreck in den Gliedern", sagt Liebe.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bestätigt, dass es an diesem Tag "bei einem routinemäßigen Luftzielschießen über der Nordsee einen Zwischenfall gab". Dabei wurde mit Luft-Luft-Raketen vom Typ Sidewinder auf Schleppziele geschossen. Die rund drei Meter langen und gut 80 Kilo schweren Raketen sind wärmegesteuert. Sind sie einmal abgeschossen, suchen sie sich ihr Ziel selbst.

Explosion bei Annäherung

Wird das Schleppziel, eine Flugzeugattrappe, erreicht, reagiert ein Annäherungszünder, der die Rakete explodieren lässt. Verfehlt sie ihr Ziel, fliegt sie so lange weiter, bis ihr Brennstoff aufgebraucht ist. Warum die Rakete der Beluga so nahe kam, ist der Luftwaffe angeblich unklar. "Wir untersuchen den Vorfall noch", sagte ein Sprecher.

Die Beluga habe sofort nach dem Unglück bei der Küstenfunkstelle um Informationen gebeten. "Wir fragten uns: Haben wir was übersehen", erzählt Liebe. "Aber die wussten auch von nichts." Später habe er erfahren, dass die Luftfahrt auf das Übungsschießen hingewiesen worden sei. Die Schifffahrt habe die Bundeswehr aber nicht gewarnt.

Liebe fragt sich, warum solche Übungen in einem Meeresschutzgebiet stattfinden dürfen. "Wie mag sich ein für unsere Ohren furchtbar klingender Knall unter Wasser anhören - zum Beispiel für die hier lebenden und sehr bedrohten Schweinswale?"

Greenpeace hat seine diesjährigen Untersuchungen am Sylter Außenriff inzwischen eingestellt. Den vierten Sommer in Folge hatten die Umweltschützer die knapp 300 Steine untersucht, die sie hier versenkt hatten, um die Fischerei mit Grundschleppnetzen zu verhindern. Diese Art der Fischerei ist für die Pflanzen und Tiere am Meeresboden besonders schädlich und sollte aus Sicht von Greenpeace in einem Naturschutzgebiet nicht zugelassen werden. Die Untersuchung soll Liebe zufolge "dokumentieren, wie die Steine im Ökosystem Nordsee ankommen".

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