Streit um Gleichstellungsbeauftragte: Hauptamtlich mit halber Kraft

Gleichstellungsbeauftragte in Schleswig-Holstein erhalten oft nur noch halbe Stellen, sollen aber hauptamtlich tätig sein. Kritiker sagen, das reiche nicht.

Rotes Licht für Gleichstellung in Schleswig-Holstein. Bild: dpa

KIEL taz | Sie hat sich für Kolleginnen in der Verwaltung eingesetzt, hat mit ihrem Landrat um höhere Löhne für weibliche Angestellte gestritten und die Frauen im Umland beraten: Unterbeschäftigt war Margot Wilke als Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Dithmarschen nie.

In zwei Monaten geht sie in den Ruhestand. Obwohl die Aufgaben dieselben bleiben, wird ihre Nachfolgerin nur noch halb so viel arbeiten, hat der Kreistag in Heide beschlossen. Kein Einzelfall: Wenn es um die Gleichstellungsbeauftragten in Kreisen, Ämtern oder Gemeinden geht, interpretieren Politiker und Verwaltungen in Schleswig-Holstein den Begriff "hauptamtlich" gern großzügig.

"Wann immer eine Kollegin geht, kommt die Diskussion auf, die Arbeitszeit zu reduzieren", sagt Britta Rudolph, eine der Sprecherinnen der Landesarbeitsgemeinschaft hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter. Dabei ist die Frage eigentlich in der Gemeindeordnung geregelt: Ab 15.000 Menschen in einer Gemeinde oder einem Amt muss die Verwaltung eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte anstellen.

Laut Gemeindeordnung hat eine Gleichstellungsbeauftragte eine ganze Reihe von Aufgaben zu erfüllen:

Intern begleitet sie personelle, organisatorische und soziale Prozesse in der Verwaltung, von Stellenbesetzungen bis Neu-Organisation von Abteilungen.

Sie sitzt Ausschüssen und Gremien wie Gemeinderat, Kreistag oder Ratsversammlung bei und bringt gleichstellungspolitische Belange ein.

Extern berät sie Bürgerinnen und Bürger zu Gleichstellungsthemen, Rechtsfragen oder beruflichen Perspektiven.

Sie informiert über Gleichstellungsthemen, hält Vorträge und macht ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit.

Angesichts der vielen Aufgaben (siehe Kasten) ist für Rudolph klar, dass 20 oder weniger Wochenstunden nicht reichen: "In großen Verwaltungen gibt es zahlreiche Personalverfahren, bei denen sich die Beauftragten beteiligen müssen. Dafür gibt es im ländlichen Raum mehr Gemeinden und weitere Fahrwege." In Gebieten, in denen andere Anlaufstellen für Frauen fehlen, seien die Sprechstunden der Gleichstellungsbeauftragten umso wichtiger.

Aktuell offen sind die Posten in den Kreisen Dithmarschen und Steinburg. In Dithmarschen brachte die FDP den Antrag ein, die Stundenzahl zu kürzen: Auch wenn nur mit halber Kraft gearbeitet wird, seien "Qualitätsdefizite nicht zu befürchten", gleichzeitig werde die "Ernsthaftigkeit der Haushaltskonsolidierung unterstrichen". Perke Heldt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Dithmarschen meint: "Mit der gleichen Begründung könnten der Landrat und der Bauamtsleiter auf halbe Stellen gesetzt werden, aber das passiert nie - komisch."

Der DGB wandte sich an die Kommunalaufsicht mit der Frage, wie viel Zeit eine hauptamtliche Stelle umfassen sollte. Die Aufsichtsbehörde, eine Abteilung des Innenministeriums, verweist auf die Selbstbestimmung der Kommunen: Kieler Erlasse dürften die Eigenständigkeit des Kreistags nicht ersticken, Gemeinde- und Kreisordnungen seien als "höherwertiges Recht" anzusehen, Fazit: Der von FDP und CDU getragene Plan sei zu respektieren.

Im Kreis Steinburg scheiterten die Parteien daran, sich auf eine Stundenzahl zu einigen. Die SPD hatte Vollzeit gefordert, die CDU auf eine halbe Stelle gedrungen und die FDP den Mittelweg vorgeschlagen. Der Versuch des Landrats, mit einer 66,66-Prozent-Lösung die Gemüter zu beruhigen, führte zum Abbruch der Verhandlungen. Der Landrat schaltete das Innenministerium ein. Inzwischen aber sei Kiel "nicht mehr gefordert", teilte ein Sprecher mit: "Der Kreistag hat signalisiert, selbst eine Lösung zu suchen." Ob es eine volle Stelle wird, ist allerdings mehr als fraglich.

Doch es geht auch anders: Die Gemeinde Harrislee bei Flensburg müsste keine hauptamtliche Beauftragte mehr haben, nachdem die Einwohnergrenze von 10.000 auf 15.000 erhöht wurde. Dennoch stimmte der Gemeinderat einhellig dafür, die Stelle neu zu besetzen.

Die Amtsinhaberin Utta Weißing "sorgt für bessere Chancen für Frauen in der Verwaltung und tut viel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und den Ausbau der Kleinkinderbetreuung", lobt Anke Spoorendonk, Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete der Dänen-Partei SSW. Vor allem gelinge es, Gleichstellung in den Debatten präsent zu halten. 20 Stunden pro Woche arbeitet Weißing in der 11.000-Einwohner-Gemeinde - ebenso viel, wie künftig für den gesamten Kreis Dithmarschen mit seinen 135.000 Menschen übrig sein soll.

Für Spoorendonk ist das Thema auf der Landesebene noch nicht ausgestanden: "Gleichstellung zählt zu den Fragen, die im Rahmen der neuen Kommunalverfassung diskutiert werden müssen."

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