Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe: Allein unter Linken

Seit elf Jahren ist Bernd Saxe Bürgermeister von Lübeck. An diesem Sonntag will der Sozialdemokrat für weitere sechs Jahre gewählt werden. Besuch bei einem Pragmatiker.

Lächeln, ab und an den Kopf schütteln, das wars: Bernd Saxe bliebe gerne noch länger Chef der Lübecker Verwaltung. Bild: dpa

LÜBECK taz | Die ruhmreiche Vergangenheit der Stadt Lübeck ist im Büro von Bernd Saxe weit weg. Dabei ist sie eigentlich nah, denn Saxe residiert im historischen Rathaus. Der Weg zum Amtszimmer des Bürgermeisters führt über dunkle Treppen vorbei an der Galerie früherer Amtsinhaber. Es sind große Bilder in schweren Rahmen.

Sie sind dunkel, nur das Gesicht und die Hände sind heller. Die Bilder sind so hoch gehängt, dass sie über die Flur-Passanten hinwegschauen. In Saxes Zimmer liegt heller Teppichfußboden, ein paar Büroschränke, ein Schreibtisch, ein Besprechungstisch. Die Fenster des Büros zeigen die Fußgängerzone, mitten in der Altstadt.

Richtig Schluss mit historischen Träumereien ist, wenn Saxe über die Lage Lübecks spricht: "Wir haben leider", sagt er, "ein ziemlich hohes Haushaltdefizit und einen hohen Verschuldungsstand." Die Stadt ist seit längerem quasi pleite, hat 1,3 Milliarden Euro Schulden, allein dieses Jahr kamen weitere 80 Millionen dazu.

Am Sonntag wählen die Lübecker den neuen Bürgermeister. Saxes Konkurrenz:

Alexandra Dinges-Dierig, 58, CDU, Diplom-Volkswirtin, war Bildungssenatorin in Hamburg

Matthias Erz, 59, Wählergruppe BUNT, Journalist und Fahrradhändler

Thorsten Fürter, 41, Grüne, Richter und Abgeordneter im Kieler Landtag

Harald Klix, 38, Taxiunternehmer und unabhängiger Bewerber

Jens Schulz, 58, Die Linke, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Linksfraktion im Landtag

Die Stichwahl: Falls nötig am 20. November

Amtsantritt: 1. Mai 2012

Das sei das zentrale Problem, sagt Saxe. Neben der Arbeitslosigkeit. "Wir werden den Haushalt in den Griff bekommen müssen." Die Situation ist so verheerend, dass die Kommunalaufsicht des Kieler Innenministeriums den Lübeckern schon mal bei den Finanzplänen reinredet.

Die Stadt war einige Zeit im Mittelalter die reichste und stolzeste Stadt der Hanse. "Die Lübecker lassen sich gerne erzählen, dass Lübeck vor 500 Jahren etwa zehnmal so groß war wie Hamburg", sagt Saxe. Doch mit der bemerkenswerten Größe ist es vorbei: Rund 210.000 Menschen leben heute hier, und geblieben ist vor allem der Stolz - auch auf die Überbleibsel der Hansezeit: die Altstadt samt Rathaus, die vielen Kirchen.

An diesem Sonntag entscheiden die Lübecker über den zukünftigen Bürgermeister. Saxe steht nach elf Jahren Amtszeit wieder zur Wahl. Fünf Konkurrenten treten gegen ihn an: Die ehemalige Hamburger Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) und der grüne Landtagsabgeordnete Thorsten Fürter gelten als Saxes aussichtsreichste Mitbewerber.

Daneben gibt es einen Kandidaten der Linkspartei und zwei Unabhängige. Die Konkurrenten wollen eine sozialere oder grünere Politik machen als Saxe, sagen sie. Oder schlicht die Verwaltung anders managen.

Der 57-Jährige ist ein Mann des zweiten Bildungswegs. Saxe schloss die Schule mit der Mittleren Reife ab, lernte in Dortmund Industriekaufmann und studierte anschließend an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Heute ist er Diplom-Sozialwirt.

Nicht nur der brummelnde Klang seiner Stimme erinnert an den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). "Ich bin ein Pragmatiker", sagt Saxe, "der eher die praktischen Dinge des Lebens zu regeln versucht, als die Wolken von der rechten Seite des Himmels auf die linke zu schieben." Nicht eben klassisch sozialdemokratisch klingen seine Antworten auf die politischen Erfordernisse: Man müssen sparen, auch wenn es Ärger gebe. Und Arbeitslosigkeit senken durch die Ansiedlung neuer Betriebe.

Nun ist Bernd Saxe allerdings nur Chef der Verwaltung: Über den Haushalt entscheidet in Lübeck die Bürgerschaft, der Bürgermeister macht Vorschläge. In der Gemeindevertretung hatte Saxe es in den vergangenen Jahren mit wechselnden Mehrheiten zu tun: erst mit Rot-Grün, dann mit einer absoluten CDU-Mehrheit, schließlich mit einem rot-rot-grünen Bündnis. Da sollen also ein linkes Bündnis im Stadtparlament und ein eher rechter Sozialdemokrat an einem Strang ziehen. Kann das klappen? "Wir müssen das hinkriegen", sagt Saxe.

Immerhin: Eher links steht in Lübeck auch seine Partei. Die Herkunftsstadt von Willy Brandt ist eigentlich keine Hochburg der Schröderianer. "Wir können ganz gut miteinander leben", sagt Saxe, das Verhältnis sei "konstruktiv". Auch sein Vorgänger Michael Bouteiller war ein Linker. Er verließ die SPD 2002, Mitten in der Schröder-Ära. Seine alte politische Heimat sei eine "Ja-Sager-Partei", "kapitalhörig" und "unsozial", erklärte er damals.

Saxe war früher SPD-Abgeordneter im Kieler Landtag. Irgendwann war ihm das nicht mehr genug. "Die reden immer darüber, dass man dieses oder jenes tun soll", sagt er. "Aber sie tun es nicht. Das tun dann andere."

Als einer dieser anderen setzte Saxe sich für den umstrittenen Flughafen Blankensee bei Lübeck ein: ein Regionalflughafen, nur rund eine Stunde mit dem Zug oder Auto entfernt vom Airport in Hamburg-Fuhlsbüttel. Er wird von der Stadt betrieben, macht Verluste, ja: reißt weitere Löcher in den ohnehin gebeutelten Haushalt. Die rot-rot-grüne Bürgerschaftsmehrheit beschloss, ihn nicht weiter zu subventionieren, was das Aus bedeutet hätte. Die Lübecker Wahlberechtigten aber stimmten in einem Bürgerentscheid mehrheitlich dafür, den Flughafen weiter zu betreiben.

Saxe gehörte stets zu den Flughafen-Freunden, stellte sich gegen die Stadtparlamentarier. Ja, Lübeck brauche einen eigenen Flughafen, verteidigt er seine Haltung. "Wir sind eine Tourismusstadt." Man müsse auf allen Wegen erreichbar sein. Eine Fluglinie nach Italien habe mehr Übernachtungen von Italienern gebracht.

Einiger waren sich die stolzen Hansestädter, als ein Teil ihrer Universität abgewickelt zu werden drohte: Die Schließung des Medizin-Studiengangs in Lübeck hatte die Landesregierung schon beschlossen. Sein Ende wäre auch das der Uni insgesamt geworden. Die Lübecker protestierten, organisierten Großdemonstrationen. Wenn Saxe darüber spricht, dann wird er geradezu pathetisch. "Das waren schon eine außerordentlich bewegende Erfahrung", sagt er. "Dass so etwas am Schluss auch Erfolg haben kann, ist ja nichts, was man in 60 Jahren Demokratie in Deutschland besonders oft erlebt hat."

In seinem Büro hängen ein paar Bilder aus dem städtischen Museum. Saxe hat sie selbst ausgesucht, die Namen der Künstler kennt er nicht. Im Raum steht auch ein kleiner Quader, mit Filz überzogen. Das Kunstwerk, sagt Saxe, trage den Titel "Lübecker Filz". Dazu befragt, erzählt er bereitwillig über den Kampf gegen die Korruption in der Verwaltung. Sechs Fälle habe er verfolgt, es habe Haftstrafen gegeben. "Man kann nicht für 3.000 Leute die Hand ins Feuer legen."

Für die Verwaltung der Stadt hat bis 2009 Matthias Erz gearbeitet, der nun gegen Saxe ins Bürgermeisterrennen zieht. Der frühere Stadtsprecher ist auf Saxe nicht gut zu sprechen: Der Amtsinhaber unterstütze Mobbing im Rathaus, überwache Mitarbeiter der Stadt und der Bürgerschaftsfraktionen. Was man wissen muss: Die Stadt hatte Erz im Jahr 2003 gekündigt, wogegen er mit Erfolg klagte. Um dann später freiwillig zu gehen.

Im Wahlkampf treffen Saxe und die Konkurrenz aufeinander: Im Lübecker Innovationszentrum hat der DGB zur Podiumsdiskussion geladen. Erz greift Saxe an, wird laut, schimpft. Behauptet, Saxe kenne seine eigene Verwaltung gar nicht - und das nach elf Jahren!

Saxe kann das locker weglächeln, schüttelt ab und an den Kopf, das ist alles. Erz aufbrausende Art kommt nicht richtig gut an beim Publikum, Saxes Nüchternheit schon eher. Dabei sind hier längst nicht alles Fans. Er spielt mit norddeutschem Understatement. "Ich glaube", sagt er, "dass ich nicht alles falsch gemacht habe."

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