Untersuchungsausschuss fordert Herausgabe: Hart umkämpfte Asse-Akten

Das Bundeskanzleramt stelle dem Asse-Untersuchungsausschuss unvollständige Unterlagen zur Verfügung, kritisieren Mitglieder und klagen auf Herausgabe beim Bundesverfassungsgericht.

Hat er die fehlenden Unterlagen gefressen? Der Schachtkater Plutonium aus der Asse. Bild: dpa

HANNOVER taz | Im Streit zwischen Niedersachsen und dem Bundeskanzleramt um die Herausgabe von Akten zum maroden Atommülllager Asse gibt es neuen Zündstoff: Lücken in den jüngst übersandten Unterlagen aus Berlin bemängeln Mitglieder des Asse-Untersuchungsausschusses des niedersächsischen Landtags gegenüber der taz.

"Nachträglich zusammengeheftet" seien die sechs Akten, die das Kanzleramt Ende Oktober überraschend nach Hannover geschickt hat, sagt die Landtagsabgeordnete Petra Emmerich-Kopatsch, die für die SPD im Ausschuss sitzt. Der Ausschuss arbeitet seit dem Sommer 2009 daran, die Pannen rund um das einsturzgefährdete Atommülllager im Landkreis Wolfenbüttel aufzuklären. Um die Abläufe rekonstruieren zu können, hat er bei allen Bundes- und Landesministerien Akten angefordert, die mit der Asse zu tun hatten. Das Bundeskanzleramt aber weigerte sich bislang stets, Unterlagen herauszurücken - mit Verweis auf den "geschützten Kernbereich des Regierungshandelns."

Von 1967 bis 1978 wurden rund 126.000 Fässer schwach und mittelradioaktiver Müll in dem ehemaligen Bergwerk eingelagert. Zeitweise diente die Asse als Entsorgungsvorsorgenachweis für deutsche Atomkraftwerke - eine Vorrausetzung für deren Betrieb. Täglich sickern rund 12.000 Liter Lauge in die Asse, 2008 wurde bekannt, dass dort auch radioaktiv verseuchte Lauge steht.

Seine Arbeit konnte der Asse-Untersuchungsausschuss 2009 erst nach erheblichem Widerstand von CDU und FDP aufnehmen.

Zehnmal mehr mittelradioaktive Abfälle als vorher zugegeben lagern in dem ehemaligen Bergwerk, so das Fazit der Grünen nach zwei Jahren Ausschuss-Arbeit.

Ein Abschlussbericht soll bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 vorliegen - gibt das Bundeskanzleramt seine Unterlagen nicht heraus, fließen diese dort nicht ein.

Aufklären will auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), seit 2009 Asse-Betreiber: Derzeit ermittelt es den genauen Inhalt und Zustand der Asse.

Das ist erster Schritt zur Sanierung der Asse, die das BfS räumen und verschließen will.

Die Akten, die das Kanzleramt jetzt - wie es heißt ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - nach Hannover geschickt hat, sind laut Emmerich-Kopatsch unvollständig: So folge etwa auf das Jahr 1978 das Jahr 2008, Sätze würden nicht fortgeführt, zum Teil vermisst die SPD-Abgeordnete ganze Seiten. "Immer wenn es spannend wird, fehlt leider die Folgeseite", sagt sie. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel hat den Eindruck, dass die Akten "aus einzelnen Teilen gezielt zusammengestellt wurden." Sie könnten nur "ein kleiner Teil des Aktenstandes sein, der im Kanzleramt zur Asse vorliegt", sagt er.

Ziel des Untersuchungsausschusses aber sei, "die gesamte politische Verantwortung aufzuklären und nicht am Ende einzelne einfache Beamte für das Asse-Desaster verantwortlich zu machen", erklärt Wenzel. "Dazu brauchen wir möglichst vollständigen Einblick in die Unterlagen." Den versucht Niedersachsen auch vor dem Bundesverfassungsgericht durchzusetzen: Dort klagt das Land auf Herausgabe aller relevanten Kanzleramts-Akten, die Verhandlung beginnt voraussichtlich Anfang 2012.

In einem Nebenverfahren hat das Gericht bereits im Sommer entschieden, der Landtagsausschuss könne sich bei seiner Akten-Anforderung "auf den allgemeinen Anspruch auf Gewährung von Amtshilfe" stützen.

Das Bundeskanzleramt selbst wollte sich am Freitag auf Nachfrage nicht zur Kritik aus Niedersachsen äußern - wegen der anhängigen Klage und "aus Respekt vor dem Gericht".

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