Kein Licht

Im Gottesdienst am Buß- und Bettag hat Pastorin Susanne Jensen die Kerze in der Kirche unangezündet gelassen. „Es ist noch kein Licht in dem größten Missbrauchsskandal der Evangelischen Kirche Deutschlands“, sagte sie in ihrer Predigt in der Ahrensburger Schlosskirche. Ein Jahr zuvor hatte sie an der gleichen Stelle gesagt: „Wer ist für das Wegsehen verantwortlich?“ und erklärt, dass Missbrauch ihr Lebensthema sei – Susanne Jensen ist als Kind jahrelang von ihrem Vater missbraucht worden und hat das 2010 in einer Predigt öffentlich gemacht.

Die 48-Jährige, die derzeit eine befristete Stelle als Pfarrerin im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde hat, eckt an. Sie fällt auch optisch aus dem Rahmen: das Haar hat sie kahl geschoren, die Arme sind voller Tätowierungen, sie trägt schwere Lederarmbänder. Im Anschluss an ihre Predigt gab es eine Podiumsdiskussion zu den Missbrauchsfällen – von der Kirchenleitung war niemand dabei. In Ahrensburg hat ein – inzwischen pensionierter – Pfarrer in den 70er und 80er Jahren mehrere Jugendliche missbraucht; der Kollege, an den sich Opfer wandten, unternahm nichts. Gegen ihn läuft inzwischen ein Untersuchungsverfahren wegen sexueller Übergriffe auf zwei junge Frauen.

Nachdem einige der Opfer an die Öffentlichkeit gingen, zeigte sich das ganze Ausmaß des Verschweigens: angefangen von der Pröpstin Heide Emse, die zuließ, dass der zwangsversetzte Pastor erneut in die Seelsorge ging, bis zur Bischöfin Maria Jepsen, die von einem Opfer angesprochen worden war, sich beim Aufklären aber schnell beruhigen ließ.

Nun fordert Jensen einen Kurswechsel, der „den Menschen die Würde wiedergibt“ und ein Ende des Verantwortungsvakuums. Sie will, dass die Kirche nicht nur im Verborgenen Einzelgespräche führt, sondern dass sie Schadensersatz zahlt. Es geht ihr nicht um Namen, das betont Jensen, sie sei keine Feindin der Landeskirche, im Gegenteil: Sie wolle eben nicht, dass ihre Kirche eine ist, die sich wegduckt. FRIEDERIKE GRÄFF