Stasi-Notizen sind „zu dünn“

PROZESS Im Verfahren gegen Radio Bremen hat sich der Bremer SPD-Politiker Pohlmann durchgesetzt: Das Oberlandesgericht Hamburg sieht kein Indiz für den Verdacht, dass er in einer DDR-Terroreinheit war

Staatssicherheit und Nationale Volksarmee haben die brisanten Unterlagen vernichtet

Die Vorsitzende Richterin Marion Raben am Oberlandesgericht Hamburg mochte sich kaum mehr als zehn Minuten mit der Sache befassen. Warum wurde der Bremer SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Jürgen Pohlmann von der Staatssicherheit der DDR an der Grenze bevorzugt behandelt? Warum durfte er unkontrolliert durch die „Tapetentür“? Warum steht sein Name auf der Liste derer, von der die Staatssicherheit mit Hinweis auf wichtigere Aufgaben, nämlich die „Gruppe Ralf Forster“, die Finger lassen sollte?

„Völlig rätselhaft“ seien solche Indizien, meinte die Richterin und auf jeden Fall „zu dünn“, um darauf überhaupt eine „Verdachtsberichterstattung“ zu stützen. Immerhin sei der Vorwurf, an der DDR-Terroreinheit Ralf Forster beteiligt gewesen zu sein, ein sehr schwerwiegender Vorwurf und geeignet, „einen Menschen zu erledigen“. Das OLG ging damit einen Schritt weiter als das Landgericht – dessen Richter Andreas Buske hatte in erster Instanz nur festgestellt, Radio Bremen habe den Verdacht nicht hinreichend relativiert.

Jürgen Pohlmann saß auch gestern in der Verhandlung mit steinernem Gesicht. Er äußert sich nicht zu den Vorwürfen zu den Vorgängen in den 80er Jahren, auch nicht außerhalb der Gerichtsverhandlung. Pohlmann war in den 70er Jahren SPD-Mitglied gewesen, trat dann in die DKP ein und brachte es bis zum Kader-Sekretär der Bremer Partei. In dieser Eigenschaft hatte er enge Kontakte zu DDR-Behörden. Nach dem Fall der Mauer trat er wieder der SPD bei und wäre 2009 beinahe Fraktionsvorsitzender der Bremer SPD-Fraktion geworden.

Dass Radio Bremen trotz intensiver Recherche nicht mehr als die „dünnen“ Indizien gefunden hat, könnte allerdings auch daran liegen, dass die Staatssicherheit und die Nationale Volksarmee, bei der die Mitglieder der Gruppe Ralf Foster ausgebildet wurden, die brisanten Unterlagen vernichtet hat.

Auf den Bänken der Öffentlichkeit saß bei beiden Verfahren ein älterer Mann, Rolf Schälike. Er ist in Hamburg bekannt, weil er den Justiz-Blog www.buskeismus.de betreibt. Schälike, ein Physiker, der in der DDR 1966 Berufsverbot bekam und ein Jahr in Bautzen saß, war einer der Stasi-Experten der Bürgerrechtsbewegung. „Natürlich sind solche Karteikarten und Eintragungen, wie sie von Pohlmann existieren, ein ernsthaftes Indiz“, sagt Schälike. „Aber das interessiert die nicht. Die wollen Ruhe haben.“

Dass sei so wie bei den Franzosen, die nach 1945 auch nichts von der Kollaboration wissen wollten. KAWE