SSW in holsteinischen Wahlkampf: Ehrgeizige Minderheitenpartei

In den Kieler Landtag kommt der Südschleswigsche Wählerverband auf jeden Fall. Im kommenden Mai will er die Fünf-Prozent-Hürde trotzdem überspringen. Und kann sich sogar eine Koalition vorstellen.

Der SSW-Vorsitzende Flemming Meyer und Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk. Bild: dpa

KIEL taz | Da, wo Deutschland aufhört und Dänemark anfängt, tagt der SSW: Im „Hotel an der Grenze“, in einem Saal, der mit schallisolierter Decke, Marmorfliesen und dunklem Holzfurnier in den 70er Jahren bestimmt sehr schick war. Der Parteitag des Südschleswigschen Wählerverbandes beginnt mit einem Lied, es klingt warm und freundlich.

Auch die Reden klingen warm und freundlich, denn Dänisch ist eine angenehme Sprache voller rollender Vokale. Die Kernpunkte von Wahlkampfreden sind zum Glück international verständlich: „Kampgeist“, sagt der SSW-Landesvorsitzende und Nummer 3 der Landesliste, Flemming Meyer. „Wi will, wi kann.“

Der SSW genießt als Vertretung der dänischen und friesischen Minderheit Sonderrechte: Er ist von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen und kommt damit so gut wie sicher in den Landtag, auch wenn er seine Mandate mit ebenso vielen Stimmen erkaufen muss wie jede andere Partei. Im Herbst 2009 stimmten 69.000 Schleswig-HolsteinerInnen für die Minderheitenvertretung, das waren 4,3 Prozent. Im Landtag, durch Überhangmandate aufgebläht, entsprach das vier Sitzen – so viel SSW war noch nie im Parlament.

Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) vertritt die dänische und friesische Minderheit in - von Dänemark aus gesehen - Süd-Schleswig, also im Norden Schleswig-Holsteins. Er hat zurzeit 3.500 Mitglieder.

Als Partei gegründet hat sich der SSW im Jahr 1948, gehört aber bereits seit 1947 dem Landtag an. Bei Landtagswahlen tritt er seit dem Jahr 2000 landesweit an, bleibt aber traditionell im Norden stark.

In den drei nördlichsten Landkreisen sowie in Flensburg und Kiel erreicht er bei Kommunalwahlen bis zu 20 Prozent der Stimmen.

An die Spitze der Landesliste wurden jetzt gewählt: Anke Spoorendonk, Lars Harms, Flemming Meyer, Jette Waldinger-Thiering. Die Landtagsabgeordnete Silke Hinrichsen tritt aufgrund einer Krankheit nicht wieder an. (est)

Jahrelang, von 1971 bis 1996, kämpfte Karl Otto Meyer, Vater des heutigen Landesvorsitzenden, als „Ein-Mann-Fraktion“ für die Wünsche der Minderheiten: Gute Bedingungen für die dänischen Schulen, Kulturvereine und Bibliotheken, friesischen Schulunterricht, zweisprachige Ortsschilder in Friesisch-Gebieten. Besonders in Sozial- und Bildungspolitik verweist der SSW immer wieder auf skandinavische Vorbilder, etwa den gemeinsamen Unterricht an allen dänischen Schulen.

Im Parteienspektrum des Landes steht der SSW Mitte-links. Die größte bundesweite Aufmerksamkeit erreichte er im Frühjahr 2005, als er sich entschloss, eine Minderheitenregierung aus SPD und Grünen zu tolerieren. Die „Dänenampel“ scheiterte an einem Abweichler, der Heide Simonis im Landtag die Stimme verweigerte.

„Dänenampel“: SSW-Sprecher Lars Bethge mag das Wort nicht mehr hören. Dabei könnte Rot-Grün-Blau wieder aktuell werden: „Das wichtigste Ziel des SSW für die Wahl am 6. Mai ist eine neue Landesregierung. Und der SSW wird nicht kneifen“, sagt Anke Spoorendonk, die jetzt bei zwei Enthaltungen wieder Spitzenkandidatin wurde.

Die Partei ist diesmal bereit für eine Koalition, Tolerierung sei eben „noch kein Modell in der politischen Landschaft hier“, sagt Spoorendonk. Der SSW wolle nicht aus machtpolitischen Gründen mit SPD und Grünen „in einen Kahn steigen“, aber klar ist: Es geht gegen CDU und FDP. Der Regierung nimmt die Minderheit übel, dass die Landeszuschüsse für die dänischen Schulen reduziert wurden. So ist eines der großen Wahlziele, die Gleichstellung wieder herzustellen.

Das werde WählerInnen mobilisieren, hofft Bethge: „Was den Zusammenhalt der Minderheit angeht, hat Schwarz-Gelb uns einen Gefallen getan.“ Und die CDU schürt die Wut noch: Wie 2005 gab es vereinzelte Äußerungen gegen zu großen Einfluss der Minderheit auf die Landespolitik. CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager nannte eine Dreier-Koalition „unseriös“.

Das Ziel, diesmal die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken und wieder vier Sitze zu kriegen, ist ehrgeizig. Darum betont der SSW so stark wie nie landesweite Themen – und seine Einzigartigkeit: Das Wahlkampflogo ist eine Schleswig-Holstein-Karte, darüber ein grünes Band mit dem Spruch „Hergestellt und erprobt in Schleswig-Holstein“. Drumherum das Motto „Der SSW ist ein schleswig-holsteinisches Naturprodukt ohne Berliner Zusätze“. Das erinnert ans Etikett einer Bierflasche, aber die Botschaft ist klar: „Nach der Wahl sind die Spitzenpolitiker der anderen Parteien wieder verschwunden – die des SSW sitzen im Landtag“, ruft Spoorendonk den Delegierten zu. Die jubeln. Mehrsprachig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.