Nationalrevolutionärer Weltgeist on tour

Das „Kollegium Humanum“ im westfälischen Vlotho ist eine rechte Kaderschmiede. Der Antisemit Horst Mahler gehört zu den Dauergästen der vorbestraften Betreiber. Nationalrevolutionäre suchen derweil neue Organisationsstrukturen

VLOTHO taz ■ Die westfälische Kleinstadt Vlotho muss sich seit Jahren mit alten und neuen Nazis auseinander setzen. Die Bildungsstätte „Collegium Humanum“ verbreitet seit vier Jahrzehnten antisemitische und deutschnationale Propaganda. Zuletzt lud der ehemalige NPD-Anwalt und radikale Antisemit Horst Mahler zu einer Schulung ein. „Hegels große Logik“ stand Ende September auf dem Programm. Mahlers Lernziel: „Dass wir uns als Volk verstehen lernen und das Deutsche Reich als eine Gestalt Gottes erkennen“.

„Horst Mahler war zwar vor Ort, die angekündigte Veranstaltung hat aber nicht stattgefunden“, heißt es aus dem NRW-Innenministerium. Ohne Begründung. Auch eine geplante Ausweich-Veranstaltung nahe der Wartburg in Thüringen fiel mangels Interesse aus.

In der Vergangenheit hatte sich das „Collegium Humanum“ vor allem zur Hochburg der Auschwitzleugner entwickelt: Der Kanadier Ernst Zündel, Robert Faurisson aus Frankreich oder Neonazi Manfred Roeder durften hier ihre revisionistischen Theorien zum Massenmord an den europäischen Juden verbreiten. Zudem gilt das Collegium als Bindeglied zwischen der „Neuen Rechten“ und den neonazistischen „Freien Kameradschaften“.

Treibende Kraft ist Ursula Haverbeck-Wetzel. Als Träger-Vereinsvorsitzende steht sie in der Nachfolge ihres Ehemanns und Collegium-Gründers Werner Georg Haverbeck. Haverbeck gründete den Verein „Collegium Humanum. Akademie für Umwelt und Lebensschutz e.V.“ 1963 – fünf Jahre nachdem er den völkischen „Weltbund zum Schutz des Lebens“ (WSL) aufbaute. 1971 gründete er die rechte Zeitschrift „Stimme des Gewissens“. 1984 traf sich im „Collegium Humanum“ das „Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“.

In Nazideutschland wurde Haverbeck von Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess zum Leiter der „Reichsmittelstelle für Volkstumsarbeit“ berufen. 1929 war er bereits Mitglied der Reichsleitung der NSDAP-Studentenschaft. 1999 starb Haverbeck.

Der „Weltbund zum Schutze des Lebens‘“ wurde im Jahr 2001 aufgelöst. Als Ersatz riefen Horst Mahler, Ex-WSL-Präsident Ernst Otto Cohrs und Ursula Haverbeck-Wetzel am 9. November den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten“ ins Leben. Die Gründungserklärung wurde in der Zeitschrift „Stimme des Lebens“ abgedruckt – Auschwitzlüge inklusive. Cohrs und Haverbeck-Wetzel wurden wegen Volksverhetzung angeklagt und zu Geldstrafen in Höhe von 3.600 Euro beziehungsweise 5.400 Euro verurteilt. Horst Mahler nahm lediglich als „Assistent der Verteidigung“ an der Verhandlung teil – gegen ihn bestand ein Berufsverbot.

„Aktuell können wir zum Collegium Humanum nur das weitergeben, was im letzten Verfassungsschutzbericht steht“, sagt Dagmar Pelzer vom NRW-Innenministerium. Will heißen, das Collegium existiert nach wie vor, ist momentan aber öffentlich nicht aktiv. Inwieweit ein Aufruf der „Deutschen Akademie“ (DA) und des NPD-nahen „Nationaldemokratischen Hochschulbundes“ (NHB) zu einer Arbeitstagung „nationalrevolutionär heute“ vom 8. bis 9. Oktober in Thüringen zu den Bestrebungen um Mahler, Haverbeck und Co in Verbindung steht, ist unklar. Initiator der Tagung ist der ehemalige NPD-Vordenker Jürgen Schwab. Angesprochen werden sollen Leute, die den Kurs der NPD als nicht radikal genug ansehen. „Revolutionäre Nationalsozialisten, die beispielsweise in der Außenpolitik antiimperialistisch, das heißt heute antiamerikanisch sind, und in der Innenpolitik den Kapitalismus sozialrevolutionär überwinden möchten“, heißt es in dem Aufruf.

HOLGER PAULER