Bonns OB will Familiendezernentin loswerden

Überraschend entzieht Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) ihrer Parteifreundin Ulrike Kretzschmar die Aufsicht über Schul- und Jugendamt. CDU kritisiert eigenmächtiges Vorgehen der OB. Grüne „ohne Begeisterung“

KÖLN taz ■ Wie wird man eine ungeliebte Dezernentin los? Nicht zimperlich sein, muss sich Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) gedacht haben. Und so entzog sie ihrer Familiendezernentin Ulrike Kretzschmar (SPD) gleich zwei von drei Ämtern, als diese am Montag nach langer Krankheit auf ihren Posten zurückgekehrt war. Jugend- und Schulamt werden mit sofortiger Wirkung Stadtdirektor Arno Hübner unterstellt, Kretschmar verbleibt das Amt für Soziales und Wohnen. Über die OB-Dringlichkeitsentscheidung muss der Bonner Rat noch beschließen.

Die seit 1994 amtierende Kretzschmar sorgte in vergangener Zeit für einige Negativ-Schlagzeilen. So stellte zum Beispiel das Rechnungsprüfungsamt fest, dass im Sozialamt 3.000 unbearbeitete Akten im Keller lagerten. OB Dieckmann wäre es am liebsten gewesen, wenn Kretzschmar von sich aus den Posten geräumt hätte. Daraus machte die die Sozialdemokratin keinen Hehl. „Ich habe Bedenken, ob Frau Kretzschmar den hohen Anforderungen ihres Dezernats mit seinen vielfältigen Aufgaben gerecht werden kann“, sagte Dieckmann auf einer Pressekonferenz.

Zu den Vorwürfen gegen ihre Person wolle sie gegenwärtig keine Stellung nehmen, sagte Kretzschmar der taz. Ihren Platz räumen will sie aber auch nicht: „Ich habe keinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen gestellt. Ich sehe dazu auch keine Veranlassung.“

Die Christdemokraten kritisierten gestern das Vorgehen der Oberbürgermeisterin: „Es ist nicht gut, aufgrund einer Dringlichkeitsentscheidung eine öffentliche Diskussion über Gesundheitszustand und fachliche Qualifikation einer Dezernentin zu führen“, kommentierte Fraktionssprecher Markus Schuck. Zwar begrüßte er, dass Dieckmann nun die Fraktionsspitzen informieren wolle. „Ich verstehe aber nicht, warum man das nicht vorher gemacht hat.“ Von den Ergebnissen dieses Gesprächs will die CDU auch ihr weiteres Verhalten abhängig machen. Ohne ihre Stimmen kann Kretzschmar nicht abgewählt werden, denn dafür ist laut Gemeindeordnung eine Zweidrittelmehrheit nötig. Nur mit der CDU kommt die SPD im Rat auf 44 von 66 Stimmen.

Der Bonner Generalanzeiger forderte Kretzschmar auf, sie solle sich „aus Verantwortung gegenüber der Stadt“ in den Ruhestand versetzen lassen. Denn eine Abwahl koste die Stadt bis 2010 pro Monat 7.200 Euro, eine Versetzung in den Ruhestand dagegen nur knapp 4.000 Euro, rechnete die Zeitung vor.

Kritik an Dieckmann kam auch von den Grünen, die ein funktionsfähiges Familiendezernat anmahnten. Die neue Ämterverteilung dürfe keine Dauerlösung sein, sagte Fraktionssprecher Karl Uckermann. „Es darf nicht sein, dass die gewollte kommunale Familien- und Sozialpolitik aus einer Hand durch die fehlende Handlungsfähigkeit des Leitungspersonals konterkariert wird“, sagte Uckermann. Die Dringlichkeitsentscheidung der Oberbürgermeisterin hätten die Grünen daher „ohne Begeisterung zur Kenntnis genommen“. DIRK ECKERT