Familien kein Gedöns mehr

25 Familienzentren bekommen einen Preis, 248 das Gütesiegel. Für Familienminister Laschet sind die neuen Kitas ein Erfolg und Erzieherin der Beruf der Zukunft

DUISBURG taz ■ Familienzentren in Nordrhein-Westfalen sind große Klasse: Zum Abschluss der einjährigen Pilotphase bekamen gestern 248 von 266 Zentren das Gütesiegel “Familienzentrum NRW“. Dazu verlieh Integrationsminister Armin Laschet (CDU) in Duisburg an 25 Einrichtungen den mit 5.000 Euro dotierten „Innovationspreis Familienzentrum 2007“. „Eltern brauchen heute zusätzliche Stützen“, sagte Laschet. Wenn man über Verwahrlosung und Misshandlungen von Kindern lese, dann liege dies häufig an Überforderung: „Die Familienzentren sollen Familien stark machen.“

Im vergangenen Jahr hatte das Land 251 Kindergärten ausgewählt, die zu Familienzentren mit Hilfs- und Beratungsangeboten für Eltern ausgebaut wurden. Dazu sollten sich die Kitas mit Einrichtungen in ihrer Kommune vernetzen, die Erziehungskurse oder medizinische Beratung in den Räumen der Kita anbieten. „Die bisherigen Angebote sollten niederschwelliger werden“, erklärte Laschet – und der beste Ort dafür sei die Kita. „Das ist der Ort, dem Eltern vertrauen“. Bis Jahresende würden deshalb 750 weitere Familienzentren entstehen, kündigte der Minister an. Bis 2012 soll es dann rund 3.000 geben.

Begeistert von den Familienzentren zeigte sich auch Wolfgang Tietze, Leiter des Berliner Instituts PädQuis, das die Pilotphase des Projekts wissenschaftlich begleitet hat. Die Zentren seien Teil einer „revolutionären Entwicklung“, die derzeit in der Früherziehung stattfinde – und wozu auch die Ankündigung der Bundesregierung gehöre, einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Unter-Dreijährige zu verwirklichen.

Auch für Minister Laschet passen die Familienzentren „in die Zeit: Plötzlich ist Familienpolitik kein Gedönsthema mehr“. Und die Investitionen der Bundesregierung in den Ausbau der Unter-Dreijährigen-Betreuung werden zu einem Beschäftigungsboom bei den Erziehungsberufen führen. Dafür erntete er von Mitarbeitern aus Kitas und Familienzentren einige Buh-Rufe. Wegen des geplanten Kinder-Bildungsgesetzes (KiBiz), das unter anderem die Elternbeiträge für die Kitas neu regelt, herrscht unter vielen Beschäftigten in der vorschulischen Erziehung reichlich Unsicherheit.

Gabriele Niemann-Cremer von der Arbeiterwohlfahrt in Aachen fürchtet etwas den neuen Konkurrenzdruck. Auch die Kosten seien nicht mehr kalkulierbar. Die 12.000 Euro, die die Familienzentren künftig vom Land bekommen, sind für die Fachberaterin der AWO-Kitas „ein Witz“. Damit könne höchstens ein Teil des zusätzlichen Angebots bezahlt werden. Ohnehin hätten die drei zertifizierten Familienzentren in Aachen schon vorher Elternberatung gemacht. Neu sei bei den Aachenern Kitas aber die Zusammenarbeit mit einer Rechtsanwältin, sowie eine medizinische Beratung durch eine Ärztin. „Aber wir hätten uns als Pilotprojekt schon mehr Hilfe und Beratung von außen erwartet.“ SUSANNE GANNOTT