ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Zwerge des Postkolonialismus

Hey, alter Suhrkamp, was ist denn das? „Vom Imperialismus zum Empire“ heißt ein Band von Shalini Randeria und Andreas Eckert bei Suhrkamp-Wissenschaft 2009. „Um Prozesse der Globalisierung aus einer nicht-westlichen Perspektive zu diskutieren, ist ‚Imperialismus‘ als strukturierender Rahmen weiterhin nützlich“, sagen sie. „Imperialismus“ statt „Globalisierung“? Hm.

Es ist zwar nur ein Roman, aber Aravind Adigas Indien-Persiflage „Der weiße Tiger“ deutet in eine andere Richtung. Adiga karikiert da die indische Klassengesellschaft, insbesondere die gerade bei zunehmender Globalisierung immer extremer wirkenden rückständigen Schollen- und Geschlechtskulturen der Binnengesellschaft.

Die Suhrkampwissenschaftler sehen hingegen den Kern der Probleme im „imperialistischen“ Ausland, im Westen, im IWF den USA usw. Aber: Wie viel Prozent von Daimler gehören inzwischen den Scheichs von Kuwait oder Abu Dhabi?

Nicht, dass es keine „postkolonialen“ Abhängigkeiten gäbe, aber die „Geografie der Macht“ liegt nicht alleine in den „imperialistischen“ West-Zentren. Es wird auch nicht von oben nach unten durchregiert. Die Mullahs im Iran brauchen keine Handlungsanweisung aus dem Westen, um ihr Land auszuplündern und an der Bombe zu basteln.

Liebe Frau Randeria, lieber Herr Eckert: Wer den Eurozentrismus schwächen will, sollte nicht an dessen Allmacht glauben. Es gab keine Stunde null in der Geschichte. Nicht in der „Neuen Welt“, die lange vor Ankuft der Europäer grausame Herrschaftsformen kannte, nicht in Afrika. Der Sklavenhandel wäre ohne afrikanische Beteiligung undenkbar. Es waren nicht nur Europäer, die negativ Geschichte schrieben.

Oh du globale Welt. Bald schon wird Suhrkamp in Berlin sitzen. Die Geschichte als Ideologie und Vorurteil von postkolonial-imperialsprachigen Uni-Linken kann dabei gerne in Franfurt am Main zurückbleiben.

■ Andreas Fanizadeh leitet das Kulturressort der taz. Foto: privat