Kampf um den Schlot

Seit Jahren überzieht die Bremer Wollkämmerei Blumenthal mit üblen Düften. Anwohner verdächtigen deren Sondermüll-Verbrennung und ziehen vor Gericht. Politik will die Firma „stärken“

von Armin Simon

Es ist nicht das „Schaf“ an sich. An den leicht talgigen Geruch nasser Wolle, den die Bremer Wollkämmerei (BWK) seit jeher absondert, hätten sie sich längst gewöhnt, sagt Hartmut Schurr. Es waren die anderen Aromen, die ihren Argwohn weckten: Veilchen und Schuhcreme, Duft, der im Hals kratzt, Gestank, der Übelkeit auslöst. Zwei Jahre geht das nun schon. Amtliche Schnüffler waren unterwegs: Sie fanden nichts. Inzwischen, berichtet der Sprecher der Unabhängigen Bürgerbewegung für Blumenthal und umzu e.V., spare man sich auch die Anrufe beim Gewerbeaufsichtsamt: „Die kamen eh immer erst zwei Tage später.“ Wenn der Gestank verflogen war. Die beiden Öfen auf dem Firmengelände durften weiter feuern.

Der eine, die Eindampf-Feuerungs-Anlage (EFA), sollte einst pestizidhaltiges Waschwasser eliminieren, damit das Gift, das aus der Wolle gewaschen wird, nicht in die Weser fließt. Doch die meiste Wolle wird längst anderswo gewaschen und gekämmt. Die BWK fand einträglichen Ersatz auf anderen Feldern: flüssiger Sondermüll, per Tankwagen aus ganz Norddeutschland nach Blumenthal verfrachtet, zur „Entsorgung“ im EFA-Ofen. Auch ihr ehemals kohlebefeuertes Heizkraftwerk rüstete die BWK zur Müllverbrennungsanlage um – unter anderem für mit giftigen Anstrichen behandeltes Holz. „Jeder Dreck“, empört sich Schurr, werde nun hier, lediglich ein paar hundert Meter vom nächsten Wohngebiet entfernt, verbrannt. Die Umweltbehörde störte das nicht.

Jetzt muss sich das Verwaltungsgericht mit den Schloten befassen. Zwei AnwohnerInnen haben, stellvertretend, Klage eingereicht. Gegen die ihrer Meinung nach fehlerhafte Betriebsgenehmigung für die Öfen. Der Gestank, befürchtet Schurr, sei lediglich ein Indiz dafür, dass auch aus dem Schornstein Gesundheitsschädliches komme: „Die richtig giftigen Sachen riecht man gar nicht.“ Und: „Einer Firma, die nicht imstande ist, ihre Ausdünstungen zu lokalisieren und abzustellen, halten wir nicht für geeignet, besonders überwachungsbedürftige Abfälle zu verbrennen.“

Knackpunkt der Auseinandersetzung dürften neben immissionsschutzrechtlichen dann vor allem baurechtliche Fragen sein. Denn das BWK-Gelände ist offiziell ein „Mischgebiet“ aus Wohnen und Gewerbe. Eine industrielle Nutzung, insbesondere eine Müllverbrennung, sei planungsrechtlich dort also „tabu“, betonen die Kläger. Die Behörde geht demgegenüber von einer „industriellen Nutzung“ aus, die sich dort eingeschlichen habe und nun Bestandsschutz genieße – auch wenn ihre Geruchsimmissionen die Grenzwerte der Bundesimmissionsschutzverordnung bisweilen überschritten.

Um den Bestandsschutz für die Öfen nicht zu gefährden, soll der noch von der BWK genutzte Teil, auf dem auch die beiden Verbrennungsanlagen stehen, bei der anstehenden Neuplanung des Geländes unangetastet bleiben. „Wir tun alles, um die BWK zu stärken“, sagt Juliane Lübker, Sprecherin der mit der Erschließung und Vermarktung der Fläche beauftragten Bremer Investitionsgesellschaft (big). Obwohl man „aus heutiger Sicht dort keine Industrienutzung mehr hinsetzen würde“ – „zu nah am Wohngebiet“.

Bausenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU) ist da anderer Ansicht. Schon auf dem benachbarten Vulkan-Gelände habe man den „Fehler gemacht“, lediglich ein Gewerbe- und kein Industriegebiet auszuweisen, sagte er. Dies dürfe „jetzt bei der BWK nicht wiederholt werden“.