Demokratie endet vor Ladentür

Mit allen Mitteln verhindert Schlecker in Bremen die Wahl von Betriebsräten, kritisiert ver.di. Ein Mitglied des Wahlvorstands wurde sogar gekündigt. SPD-Chef Sieling: „Das ist Psychoterror“

VON GESA SCHÖLGENS

Seit geraumer Zeit ignoriert die Drogeriekette Schlecker Mitarbeiterrechte – auch in Bremen. Nun wollen Mitarbeiter, Gewerkschaft und Politik gemeinsam dagegen angehen. Aktueller Anlass: „Die Geschäftsführung versucht mit allen Mitteln, Betriebsratswahlen zu verhindern“, kritisierte gestern Richard Schmid, ver.di Fachsekretär Handel.

Ende Juli ernannte der Gesamtbetriebsausschuss erstmals einen Wahlvorstand, auf Initiative einiger Mitarbeiter. Der Vorstand sollte die Betriebsratswahl des Bremer Filial-Bezirkes organisieren. Ein Wahltermin im November stand schon fest. Doch die Reaktion der Schlecker-Geschäftsführung erfolgte prompt, so Schmid: Die Vorsitzende des Wahlvorstandes wurde entlassen. Und: „Für die Wahl wurden keine Räume und Sachmittel zur Verfügung gestellt.“ Zudem habe Schlecker weder ein Verzeichnis aller Bezirksfilialen, noch eine Wählerliste bereitgestellt. „Hierzu sind sie aber gesetzlich verpflichtet“, sagte die vom Wahlvorstand beauftragte Rechtsanwältin Pelin Ögüt.

Um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, hat der SPD-Fraktionsvorsitzende der Bürgerschaft, Carsten Sieling, eine „Patenschaft“ für die Betriebsratswahl übernommen. „Ich habe Anton Schlecker schriftlich aufgefordert, die gesetzlichen Rechte seiner Mitarbeiter zu wahren. Demokratie darf nicht vor der Ladentür enden.“ Auch Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sei informiert.

Die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter – im Bremer Bezirk rund 200 Frauen – sind schlecht. Das bestätigte gestern auch ein Mitglied des Wahlvorstands, das anonym bleiben möchte, der taz. Der Leistungsdruck auf die Mitarbeiter sei enorm. Pausen seien im Arbeitsalltag nicht mehr drin. „Wir sollen mit minimalen Kräften maximale Leistungen erbringen. Ansonsten kommt gleich eine Abmahnung ins Haus.“ Die meisten Kollegen hätten Angst um ihren Job. Alleine könnten sie sich aber nicht wehren.

Nachmittags und abends sei meist nur eine Verkäuferin im Laden. „Vor dem Öffnen und nach Ladenschluss sind unbezahlte Überstunden die Regel“, sagt das Mitglied. Die Verkäuferinnen müssten auch putzen und das Warenlager in Ordnung halten. Im Krankheitsfall würden nach einer Woche Briefe verschickt mit der Aufforderung, sich einen neuen Job zu suchen. „Eine Kollegin von mir hat das selbst erlebt.“ Einschüchtern lässt sich der Wahlvorstand nicht. „Mit Kündigungen haben wir gerechnet. Wir wollen keine Revolution anzetteln, sondern nur mehr Menschlichkeit und Mitbestimmung erreichen.“

Auch Sieling berichtet von einer Verkäuferin, die 28 Abmahnungen erhalten habe: „Das ist Psychoterror.“ Für ver.di und Sieling steht fest: „Die Angestellten brauchen dringend Betriebsräte. In Bezirken mit Betriebsräten konnte ihre Situation verbessert werden“, sagt Schmid. Vorbilder seien Emden, Wilhelmshaven, NRW und Baden-Württemberg.

Das Amtsgericht gab ver.di und der Vorsitzenden vorläufig Recht: Sie bleibt im Amt und darf kandidieren. Allerdings nahm Schlecker die Kündigung nicht zurück, obwohl diese laut Gericht rechtsunwirksam sei, so Schmid. Im Januar gehe die Verhandlung weiter. Per einstweiliger Verfügung wurden zudem Räume, Sachmittel und eine Wählerliste durchgesetzt. Aber: Schlecker nutzt alle formalen Mittel, um die Wahlen hinauszuzögern“, sagt Ögüt. Schlecker sah sich gestern nicht in der Lage, dazu Stellung zu nehmen.