„Wir treffen diesen Beschluss “

Uni-Rektor Wilfried Müller rügt den Asta wegen der zweifachen Blockade des Akademischen Senats – und kündigt an, beim HEP V auf sein Letztentscheidungs-Recht zurückzugreifen

WILFRIED MÜLLER, 62, ist Chemiker, Rektor der Universität Bremen und Vizepräsident für Lehre und Studium der Hochschulrektorenkonferenz.

INTERVIEW VON BENNO SCHIRRMEISTER

taz: Herr Müller, dass der Akademische Senat wegen des Studierenden-Protests erneut keinen Beschluss zum Hochschul-Entwicklungs-Plan (HEP V) hat fällen können, bringt die Uni in die Bredouille. Wie wollen Sie weiter vorgehen?

Wilfried Müller: Offen gesagt: Ich find’s ärgerlich. In die Bredouille bringt uns das nicht.

Warum?

Ärgerlich finde ich es, weil wir wirklich eine Kultur des Sich-Aussprechens haben: Bisher hat man sich in strittigen Fragen immer zusammengesetzt. Die zweimalige Sprengung der Sitzung des Akademischen Senats (AS) bedeutet, dass eine Mini-Gruppe von Studierenden ein demokratisches Gremium nicht arbeiten lässt.

Die Minigruppe ist der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (Asta)…

Der hat eine Legitimation von sechs Prozent Wahlbeteiligung. Davon hat etwa die Hälfte ihn gewählt. Der Asta sitzt im Glashaus.

Ist denn der AS so viel besser legitimiert?

Ich bitte Sie, aber sehr wohl! Bei den Professoren haben wir 80 Prozent Beteiligung an den AS-Wahlen, bei den Wissenschaftlichen Mitarbeitern 50, bei den Dienstleistern etwa 40. Schwierig ist es nur bei den Studierenden, da gebe ich Ihnen Recht. Aber auch da liegt die Wahlbeteiligung bei etwa acht Prozent.

Trotz Professorenmehrheit also höher als beim Asta?

Darauf, dass die Professoren die Mehrheit haben müssen, haben wir keinen Einfluss: Das ist als Ausdruck der Wissenschaftsfreiheit vom Grundgesetz so vorgegeben. Nein, das Ganze ist einfach nur ärgerlich: Bundesweit gibt es den Trend, die Akademischen Senate in ihrer Handlungsmacht zu unterminieren. Das geht von verschiedenen Länderministerien aus. Bei uns erledigt das der Asta.

Werden die Sitzungs-Sprengungen jetzt zum Argument in dieser Diskussion?

Das kann ich nicht sagen. Ich werde diese Vorfälle nicht ins Spiel bringen – weil ich ein Anhänger eines AS bin, der ein Machtgleichgewicht gegenüber dem Rektorat darstellt.

Als Rektor? Warum?

Das kann ich Ihnen genau sagen: Wenn solche Entscheidungen von Gremien gefällt werden, dann ist die Basis viel breiter und die Legitimation viel höher, als wenn sie nur von der Spitze kommen. Vom Gesetz her ist das einfach: Es gibt ein Letztentscheidungsrecht des Rektorats.

Bringt Sie das Fehlen des Beschlusses deshalb nicht in die Bredouille? Vorher hieß es: Die Uni werde dadurch handlungsunfähig…

Mir liegt daran, dass wir ein Votum dieses Gremiums haben, das in der Lage ist, die zukünftige Berufungspolitik der Universität Bremen demokratisch zu legitimieren. Wir haben immer gewusst, wir haben im Hochschulgesetz diesen Sonderparagrafen des Letztentscheidungs-Rechts. Es hätte immer das Rektorat entscheiden können. Ich wollte das nicht. Nicht weil ich feige wäre. Sondern weil ich die Tradition eines starken AS schätze.

Ich wollte, das heißt: Die letzte Chance ist vorbei?

Wir werden das jetzt zum 20. Februar nicht mehr beantragen. Ein drittes oder gar viertes Mal mache ich den Versuch nicht. Die nächste AS-Sitzung wird von Rektoratsseite nicht den HEP V auf der Tagesordnung haben.

Noch einmal: Sie treffen den Beschluss?

Wir treffen diesen Beschluss im Rektorat. Ja. Wie wir das genau formulieren, weiß ich noch nicht, wann, steht auch noch nicht fest. Wir werden den Zeitpunkt aber bekannt geben, das wird nicht in einer Klausursitzung geschehen.

Erstaunlich: Im vergangenen Jahr waren Sie doch als entschiedener Gegner des HEP V aufgetreten. Hat sich denn substanziell etwas geändert?

Wir haben eine Wahl gehabt. Wir haben ein demokratisch gewähltes Parlament. Das hat einen Beschluss gefasst. Der ist nicht toll für die Universität. Aber er ist auch nicht schlecht.

Inwiefern?

Die haben auf der einen Seite HEP V bestätigt, auf der anderen Seite geben sie den Hochschulen des Landes einen Sonderzuschuss, einen Innovationsfonds. Es gibt kaum andere Bereiche, die so einen Fonds haben. Im Übrigen müssen wir mal wieder an die Arbeit gehen. Vor der Wahl kann man so etwas machen. Aber glauben Sie, wir kriegen jetzt 8.000 auf die Straße?

Sie geben klein bei?

Die politischen Möglichkeiten sind einfach ausgereizt. Ich will eine Entscheidungsgrundlage haben. Das Votum des AS nimmt ja gar nicht den Hochschulgesamtplan des Landes auf! Wir liegen ja in unseren Forderungen viel höher als es das Land uns gegenwärtig zumutet. Das haben die Studierenden alles nicht mitbekommen.

Rund zwölf Professuren mehr – das wäre genau der Spielraum, den es noch gibt?

Das ist jetzt schwer, das hängt davon ab, was mit den Tarifsteigerungen der nächsten Jahre wird. Die AS-Kommission hat jedenfalls ganz hart gearbeitet. Die hat unglaublich verbindlich gearbeitet – und das Ergebnis liegt im Finanzvolumen ungefähr zwei Millionen Euro über dem, was uns zugestanden wird: Das ist für uns die Grenze. Darunter darf es eigentlich nicht gehen.

Der Asta wirft Ihnen vor: HEP V passe Ihnen gut in den Kram, weil sich der Profilbildungsprozess dadurch beschleunigen ließe.

Das ist doch komplett neben der Spur. Wir kriegen durch HEP V weder die Profilbildung verstärkt, noch können wir die Breite erhalten. Beides geht nicht. Es ist im Grunde eine der größten Haushaltskürzungen in der Geschichte der deutschen Universitäten nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit kann man weder konsequent Profilbildung betreiben, noch kann man die Breite erhalten. Nein, das ist kein zu Ende gedachtes Argument – und mit den Fakten stimmt es schon mal gar nicht überein: Wir haben auch Bereiche zur Ader lassen müssen, die für die Profilbildung vorgesehen waren. Ich kann doch nicht einfach sagen: Ich mach’ so weiter wie bisher. Nicht nach einer so politisierten Wahl wie der im Mai.

Bei der sind die Parteien gewählt worden, die…

… sich am meisten für uns eingesetzt haben. Ja. Die müsste man doch fragen, warum sie es nicht geschafft haben, das, was in den Wahlprogrammen steht, umzusetzen. Aber ich muss doch auch irgendwann wieder an den Alltag denken.