Sommer um 18 Prozent trockener

Mehr Wind, Wespenspinnen, im Winter reichlich Wasser: Die regionale Klimaprognose für Bremen verheißt heiße Sommer und feuchte Weihnachten. Immerhin werden sie in Hamburg noch viel nasser

Von Henning Bleyl

Im Hamburger Max Planck-Institut für Meteorologie herrschte gestern Ausnahmezustand: JournalistInnen aus allen Teilen Deutschlands wollten Einzelheiten aus der Klimaprognose erfahren, über die am Tag zuvor „Spiegel-online“ berichtet hatte. „Wir sind sehr überrascht über diesen Ansturm“, heißt es in Hamburg – schließlich seien die Daten, über die „Spiegel-online“ jetzt „exklusiv“ berichtete, schon 2006 veröffentlicht worden. Grundlage der kleinteiligen Prognose bis 2100 ist die Rasterung Deutschlands in zehn mal zehn Kilometer große Quader.

Erst kürzlich veranstaltete der Bremer BUND einen Workshop über die Folgen des Klimawandels für die heimische Flora und Fauna. Die sich um durchschnittlich drei Grad erhöhenden hiesigen Sommertemperaturen – im Winter noch ein halbes Grad mehr – hätten längst zum Zuwandern neuer Arten geführt, sagt der Biologe Henning Kunze. Dem vermehrten Auftreten beispielsweise der Wespenspinne und verschiedener Libellen stünden zahlreiche „Trockenstress“-Verluste, etwa bei den Wiesenvögeln, gegenüber. Die Folgen für Nahrungs- und Funktionsketten sind komplex: Durch unterschiedliche Wandergeschwindigkeiten würden auch bisherige Lebensgemeinschaften auseinander gerissen. Weitere Folgen: das Grundwasser sinkt ab, Geestbäche trocknen aus, die Torfzersetzung samt damit verbundener CO2-Emissionen steigert sich.

Michael Schirmer, lange Leiter der Klimafolgen-Projekte der Bremer Universität (und derzeit Deichhauptmann), hat herausgefunden, dass an der Unterweser bereits eine erhebliche Zahl von Neobionten – pflanzlichen und tierischen „Neubürger“ – aus dem pazifischen Raum lebt.

Norddeutschland könnte durch die trockenen Sommer vor allem touristisch profitieren. Andererseits gibt es erhöhte Deichschutzaufwendungen: Während bis 2100 ein weltweiter Meeresanstieg um 30 Zentimeter vorher gesagt wird, sollen es für die Nordsee doppelt so viele sein.

Betrachtet man den Norden differenzierter, fallen Unterschiede etwa innerhalb der prognostizierten winterlichen Niederschläge auf. Während Schleswig-Holstein und Hamburg mit 22 beziehungsweise 19 Prozent bundesweit diesbezüglich Spitzenreiter sind, liegen Bremen und Niedersachsen mit 12 und 11 Prozent im Mittelfeld. Der Meteorologe Stefan Hagemann, Mitautor der Max Planck-Studie, vermutet, dass dies weniger an den langen Küsten Schleswig-Holsteins liegt, als an „veränderten Zirkulationsbedingungen“. Genauer: Die auf dem Atlantik wandernden Tiefdrucksysteme verlagern ihre Routen nach Norden.

Die Klimaforscher gehen davon aus, dass sich die Niederschläge auch qualitativ verändern: Es sei mit deutlich häufigeren Gewittern, Hagel und Starkregen zu rechnen. Zudem müsse man sich ab Mitte des Jahrhunderts auf höhere Windgeschwindigkeiten einstellen. Die niedersächsischen und Bremer Klimadaten sind, wie erwartbar, diesbezüglich sehr ähnlich – ausgenommen die Niederschlagsmenge im Frühling. Während sie in Niedersachsen um sechs Prozent steigen soll, ist es für Bremen nur ein Prozent. Hagemann kann das nicht abschließend erklären, verweist aber auf die Kleinräumigkeit von Niederschlagszonen. Temperaturen hingegen stellten „eine robustere Größe“ dar.

Die Sommer sollen mit 18 Prozent weniger Regen in Bremen und Umzu gleich trocken werden. Der vergangene August verhielt sich allerdings antizyklisch zur Prognose: Er gab mit 123,5 Litern Niederschlag pro Quadratmeter deutlich mehr Regen als im langjährigen Mittel.