Wegdimmen zum Konsum

Das riesige Einkaufszentrum „Waterfront“ verspricht ein aufregendes Shoppingerlebnis, bietet aber nur das, was es längst überall gibt. Warum strömen die Massen trotzdem dort hin?

von Felix Zimmermann

Es ist ein langer Weg, bis „die neue Destination für Freizeit und Shopping“ erreicht ist. Hinaus aus der Stadt, dem alten Herz Bremens, mit der Linie 3 entlang alter Industriehallen und Brachen, bis zur „Waterfront“.

In der Eigenwerbung wird diese riesige Halle in Gröpelingen tatsächlich so beschrieben: als „die neue Destination für Freizeit und Shopping“. Insofern stellt die Linie 3 eine Zeitachse dar zwischen der alten Stadt, in der Passanten unter freiem Himmel Geschäfte tätigten, flanierten, ihren Bedarf an Waren und Kommunikation deckten, und einem Gebäude, das vieles beherbergen könnte, nun aber zufällig ein „Shopping Center“ in sich trägt. Einen jener neuen Orte des Shoppings, die alles das vergessen machen wollen, was die Welt des Einkaufens ausmachte, weshalb die alte Stadt nur noch vage Erinnerung ist.

Zwar ist die „Waterfront“ nur ein Produkt schnöden Recyclings, aus Abfall neu entstanden in der Hülle, in der der „Space Park“ bankrott ging. Aber so seelenlos wurden diese Hallen konstruiert, dass sich das Einkaufszentrum mit über 100 Läden mühelos einfügt. Das macht den Ort nicht wärmer, verschafft ihm keine Heimeligkeit oder gar Geborgenheit, wie sie eh nur noch Idylliker in der alten Stadt unter freiem Himmel suchen. Dazu sind die Raumfluchten in der „Waterfront“ zu gigantisch, dazu dröhnt die Musik zu laut aus den Läden und vermischt sich zu einem kaum erträglichen Brei, dazu gibt es dort zu viele von den Geschäften, denen man ohnehin nirgends mehr entgehen kann, dazu glänzt der polierte Boden zu sehr.

Und trotzdem: die Menschen strömen in Massen, am Eröffnungstag sollen es 130.000 gewesen sein, und gestern ging es dort auch recht trubelig zu.

Zunächst ist es wohl so, dass sie mit großen Erwartungen kommen: Weil mit einem „Angebotsmix mit vielen beliebten Marken und aufregend neuen Geschäften“ geworben wird und der Chef der „Waterfront“, Peter Schneider, verbreitet, „die Architektur des Centers, aber auch der Ladenbau mancher Mieter“ sei „eine Attraktion für sich“. Man kennt das aus anderen Einkaufscentern, der „Weserpark“ dürfte in etwa dasselbe versprechen, sämtliche „Shopping Malls“ versprechen das. Aber man kann ja mal kucken. Die Verheißung scheint für den Menschen des 21. Jahrhunderts, der zu einem Großteil nur noch Konsument ist, immer wieder so groß zu sein, dass die Betreiber der Malls frohlocken. Während die Umsätze im Einzelhandel seit Jahren schrumpfen, ist die Tendenz beim Einkaufserlebnis unter Dach leicht steigend.

Merkwürdige Zeiten, in denen jede Menge Handyshops, H&M, Deichmann und C&A auf einem Haufen immer noch anziehend wirken. In der „Waterfront“ findet man noch nicht mal einen Ort, an dem man in Ruhe darüber sinnieren, also inspiriert vom Studienobjekt seiner Anziehungskraft auf die Schliche kommen kann. Der „Food Court“ böte sich an, wenn man der „Waterfront“-Werbung glaubt. In einem „einzigartigen Kuppelsaal“ präsentiere er sich „großzügig im dezent-maritimen Design“. Wenn man dann dort sitzt, sieht man mampfende Menschen, vor sich Papierberge, wahlweise vom Burger-Brater „Kochlöffel“, vom Sandwichschmierer „Subway“, von der Fischbude „Nordsee“ und einem Billig-Asiaten. Die Münder verschmiert von Mayo und Ketchup, die Augen starr gerichtet auf einen riesigen Bildschirm, der die Exklusivität des Shoppens in der „Waterfront“ in Endlosschleife verbreitet. Kommunikation besteht dort nur noch darin, vor dem Monitor wegzudimmen in einen Zustand, der empfänglich macht für all den Plunder in den Läden. Und vielleicht funktioniert die „Waterfront“ deshalb wie jede andere Mall: Hier darf sich jeder als Exklusivshopper fühlen, auch wenn es nur die Plastiktüte vom Drogerieriesen Müller ist, die ihm am Handgelenk baumelt. Man muss ihm das Gefühl nur eintrichtern.