Für ein paar Euro weniger

Weil dem „Lonely Planet Boy“ am Sielwalleck angesichts seines Bierpreises unterstellt wird, Gewinne erzielen zu wollen, droht dem Kultur- und Konzert-Plattenladen-Café jetzt die Schließung

von JAN ZIER

Darf ein Beck’s-Bier zwei Euro kosten? Ja, jedenfalls in einem Café. Doch das „Lonely Planet Boy“ am Sielwalleck ist kein gewöhnliches Café. Nicht nur weil es in Fatih Akins letztem Film „Auf der anderen Seite“ schon zu höheren Ehren gekommen ist. Sondern auch rein juristisch betrachtet: Die Mischung aus Kulturkneipe und Plattenladen ist offiziell das Vereinsheim des „99 für Lebensfreude und DADA e. V.“. Und genau da, findet das Stadtamt, darf das Bier so viel nicht kosten. Deswegen droht jetzt die Schließung, oder, wie es im Amtsdeutsch heißt: Die „Unterbindung der Fortsetzung eines nicht genehmigten Gaststättenbetriebes mit Anordnung der sofortigen Vollziehung“.

Zwei Euro für ein Bier, schreibt Detlef Bendzmira, im Stadtamt Leiter der Abteilung Gaststättenangelegenheiten, das spreche dafür, dass das „Lonely Planet Boy“ einen Gewinn erzielen wolle. Genau das darf es als Café eines gemeinnützigen Vereins aber nicht. Das ist nur dem erlaubt, der eine Gaststättenkonzession vorweisen kann. Und die hat der Vereinsvorsitzende Günther Kahrs nicht. Er würde sie auch nicht bekommen, wurde ihm bedeutet – weil die Lokalität die nötigen baulichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Mehrere Male waren die Kontrolleure vom Stadtamt schon da, zuletzt am vergangenen Wochenende. Sie gucken dann, was die Leute für ihr Bier bezahlen. Eine Anzeige wegen Ordnungswidrigkeit haben sie diesmal aber nicht gestellt. Weil die Befragten irgendwie doch nur einen Euro bezahlt haben, also den Selbstkostenpreis. Und nicht den doppelten Satz, der auch eine „Aufwandspauschale“ enthält, dazu eine „freiwillige Spende“ für das vielfältige Kulturprogramm – beides macht nochmals je 50 Cent aus.

Einmal im Monat gibt es hier eine Lesung, am kommenden Samstag etwa kommt Martin von Arndt, der aus seinem Roman „ego shooter“ liest. Auch Kurzfilme laufen hier regelmäßig, dazu Radioproduktionen, und natürlich, immer wieder, Konzerte, meist unplugged. Seit über drei Jahren geht das schon so, doch vor ein paar Monaten, sagt Kahrs, begann der „Eiertanz“.

Zweimal musste er schon ein Bußgeld bezahlen, über 200 Euro. Er hat die Summe dann immer als „Spende“ an das Stadtamt überwiesen, „zweckgebunden“, für die „Kultur von unten“. Kahrs, besser bekannt als „Meister Propper“, ist einer der Motoren der Subkultur im Viertel, ein Aktionskünstler, der einst ein Sponti war und Ende der Achtziger Jahre auch mal für ein paar Jahre Landesvorstandssprecher bei den Grünen.

Für die eigene Sache spenden will er jetzt nicht mehr: „Wir können uns das nicht leisten“, sagt Kahrs. „Die sollen uns dulden – oder dichtmachen.“ Weichen will er nicht, so viel ist klar. Muss er auch nicht unbedingt, heißt es jetzt aus dem Stadtamt. „Wir wollen das Café nicht schließen“, sagte der stellvertretende Stadtamtschef Joachim Becker gestern auf Nachfrage. „Wenn wir das wirklich wollten, wäre es längst passiert.“ Am Ende komme es vor allem auf die Gewinnerzielungsabsicht an.

Eine solche überhaupt nur anzunehmen, sagt Kahrs, sei „absurd“. Der Verein strebe an, „plus / minus null“ zu arbeiten, der Vorsitzende selbst verdient sein Geld bei einem sozialen Pflegedienst, bewohnt eine Einraumwohnung in Peterswerder und einen Computer, mit dem er den Widerspruch formulieren könnte, den hat er auch nicht. Lieber will er mit seinem bisschen Geld der von ihm ungeliebten, der „öden Eventkultur etwas Buntes entgegensetzen“.

In der kommenden Woche sind noch einmal Gespräche mit dem Stadtamt angesetzt. Und am 11. Dezember sehen sich beide Parteien dann auch vor dem Amtsgericht wieder: Dann wird gegen Günther Kahrs das letzte Bußgeld in Sachen „Lonely Planet Boy“ verhandelt.