Keine Feinheiten, bitte

Gastredner Günther Oettinger findet auch beim Neujahrsempfang der Bremer CDU wieder für alles freundliche Worte. Sogar beim Parlieren über die von Bremen erwartete Schuldenhilfe

Am 11. April 2007 hatte Günther Oettinger auf der Trauerfeier des Altnazis und ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Hans Filbinger den Wehrmachts-Marinerichter in die Nähe des Widerstandes gerückt. Die Behauptung, Filbinger sei ein „Mensch mit einer belegbaren inneren Distanz zum NS-Regime“ gewesen, wiederholte Oettinger wenig später in Bild – ohne solche Belege anführen zu können. Dem Historiker und Filbinger-Biografen Wolfram Wette zufolge sind keine entsprechenden Indizien bekannt. Dafür existieren Nachweise von Filbingers Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund, der NSdAP und in der SA. Aus dem Skandal hat Oettinger gelernt: Er wäge seither seine „Worte besonders gründlich, gerade wenn es um zeitgeschichtliche Fragen geht“, vertraute er dem Spiegel an. TAZ

AUS DEM PARKHOTEL KLAUS WOLSCHNER

Der Neujahrsempfang ist die größte Veranstaltung der CDU in Bremen. Auch an diesem Montag war das Parkhotel wieder brechend voll. Die Bremer CDU pflegt zu diesem Anlass – es war der 21. Neujahrsempfang – erfolgreiche Parteifreunde einzuladen – gerne auch umstrittene: Im Jahr 2000 kam, auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre, Exkanzler Helmut Kohl.

Diesmal war der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger zu Gast. Der hat seine posthume Würdigung des SA-Mannes und Marinerichters Hans Filbinger – „in der SA waren viele Anhänger, aber auch viele Menschen, die nicht die Kraft zum Widerstand hatten“, hatte er 2007 diagnostiziert – politisch gut überstanden.

Oettinger wusste, was von ihm erwartet wurde. Freundlich begrüßte er das Publikum, strich die Gemeinsamkeiten zwischen Bremen und Baden-Württemberg heraus – im Wesentlichen: die Mercedes-Produktion – und erwähnte, dass die Baden-Württemberger Bremen durchaus brauchen: Nicht nur, weil der Daimler-Konzern über Bremerhaven seine Limousinen exportiert, sondern auch, damit Bayern „nicht jedes Mal deutscher Meister“ wird.

Und dann kam er auf das Thema, das seine Parteifreunde an der Weser besonders bewegt: die Föderalismuskommission. Deren Vorsitzender ist Oettinger, und sie hat die Frage zu klären, ob Bremen bei der als „abschließende Sitzung“ angekündigten Beratung am 5. Februar mit einer kräftigen Schuldenhilfe rechnen kann. Für Oettinger geht es – ganz staatsmännisch – um eine Begrenzung der Staatsverschuldung. „Unsere Großeltern“, sagte der 55-Jährige, hätten den Wiederaufbau nach dem Kriege ganz ohne Schuldenmacherei bewerkstelligt. Der Schuldenstand liegt derzeit bei 1,5 Billionen Euro, und die Konjunkturhilfen werden ihn noch einmal um zehn Prozent erhöhen. Mindestens. Alle, Bund, Länder und Kommunen, müssten laut Oettinger „den Weg der Haushaltskonsolidierung gehen“. Damit überschuldete Länder mitziehen können, kam er dann auf den springenden Punkt, „überlegen wir eine Schuldenhilfe“. Ziel sei es, auch die Bremer Schuldenlast „in ein Mittelmaß zu bringen“. Und dann bekannte er: „Ich suche eine faire Lösung.“ Das klang nun nicht so, als wäre die in zehn Tagen als mit den anderen Ländern geeinter Kompromiss zu verkünden. Entschieden werde das „in den nächsten Wochen“, so formulierte Oettinger – als würde der Termin für die Schlusssitzung möglicherweise abermals verschoben. Das gesamte Thema handelte der Ländle-Chef in der ersten Person Singular ab: „Ich bin an Haushaltskonsolidierung interessiert.“ Kein Wort, keine Andeutung darüber, ob die CDU /CSU-Kollegen aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen, die die Zeche für Bremen auch zahlen müssten, von ihm inzwischen auf seine Linie gebracht wurden.

Eingangs hatte der Bremer CDU-Landesvorsitzende Thomas Röwekamp die Gäste begrüßt und die Senatskoalition scharf angegriffen. In der großen Koalition habe man stets „mehr Ideen als Geld“ gehabt, derzeit suche der Senat händeringend nach Projekten für das Konjunkturpaket – „es gibt mehr Geld als Ideen“. Für die Bürgerschaftswahlen gab Röwekamp, der 2007 gerade einmal 26 Prozent erhielt, das Ziel aus „stärkste Partei“ zu werden“.

Auch sein Vorgänger Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur, verglich die große Koalition mit der derzeitigen rot-grünen und kam zu dem Ergebnis, dass am Beginn der großen Koalition „eine Aufbruchstimmung“ geherrscht habe, während die derzeitige Senat eher „mausgrau“ wirke. Damals, 1995, habe es eben „charismatische Leute gegeben“ wie Henning Scherf und Hartmut Perschau. Den heute im Straßburger Exil lebenden Ulrich Nölle, seinerzeit Spitzenmann der Bremer CDU, überging er mit Schweigen.

Aber solche Feinheiten fallen nicht weiter auf beim CDU-Neujahrsempfang. Neumann stimmte die zahlreich erschienen Parteianhänger auf das Superwahljahr ein, und Röwekamp interpretierte die derzeitige Bremer Oppositionsrolle als „Auszeit“ – vor der nächsten zwölfjährigen Regierungsperiode.