kurzkritik: kabarett im haus im park
: Schramm hat geschossen

Gutes Kabarett ist, wenn einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Wenn Georg Schramm im Publikum einen „jungen Hartz-IV-Empfänger“ als „totes Humankapital“ auswählt, um zu demonstrieren, wie Deutschland zu retten wäre, ist das noch komisch: Seine gesellschaftlichen Kosten von 60 unnützen Lebensjahren soll er auf 30 Jahre verteilt bar auf die Hand bekommen, so die Idee, dann kann er ordentlich den Einzelhandel ankurbeln. Hat er so seinen Lebenszweck erfüllt – sollte er sterben. Gemeinnützig, „durchkalkuliert und gegenfinanziert“ sei sein Rettungsplan, versichert Schramm mit dem Optimismus eines Staubsauger- oder Wanderpredigers. Ähnlichkeiten mit wirklichem Polit-Theater rein zufällig.

Ohne Atempause wechselt er in die Rolle des übellaunigen Lothar Dombrowski, der nur schimpfend die Welt bewältigen kann. Die Pistole in der Hand macht er die Hassfigur „Hans-Martin Schleyer“ so aktuell, dass man befürchten muss, er würde ihn glatt noch mal erschießen. Linksradikale RAF-Nostalgie und rechtsradikaler Stammtisch verschmelzen untrennbar.

Bitterböse schließlich sein Helmut Schmidt-Verschnitt: Ordentlich Krieg führen könne man nur mit Gesellschaften, so Schramms schneidiger Oberstleutnant Sanftleben aus Hamburg, wenn die „Reproduktionsquote“ über 3,0 liege. Die deutsche Mutter bekommt aber statistisch nur 0,6 Junge. Anders sei das etwa im Gaza-Streifen: Schon Yasser Arafat habe gewusst, dass die Gebärmütter ihrer Frauen die stärkste Waffe der Palästinenser ist. Wer lacht da?

Mit höchster Konzentration und lustvollem Lachen verfolgt der volle Saal im „Haus im Park“ zweieinhalb Stunden lang Schramms tiefsinniges Trommelfeuer „Thomas Bernhard hätte geschossen“. Ein Mann, eine Bühne, drei Jacketts – großes Theater geht nur live. KW