URTEIL: Auch Privatschüler haben Rechte

Bildungsbehörde wollte die persönliche Assistenz verweigern, weil ein autistisches Kind auf eine Privatschule geht. Sozialgericht bestätigte den Anspruch der Eltern.

Bei Eltern beliebt, von Behörden behindert: Tobias-Schule Bild: PR

Seit zweieinhalb Jahren kämpft die Mutter von Paolo mit den bremischen Behörden - nun hat sie endlich eine Einstweilige Anordnung des Sozialgerichtes erreicht: Die Kommune muss für den neunjährigen Paolo, der inzwischen in die dritte Klasse der Tobias-Sonderschule geht, eine persönliche Assistenz bezahlen. Dass der autistische Paolo solche Assistenz braucht, sagt dabei auch die Schulbehörde - nur wenn er auf die private Tobias-Schule geht, dann wird dafür nicht bezahlt.

Paolo hatte im Kindergarten eine persönliche Assistenz, über ihn gibt es ein medizinisches Gutachten, nach dem er auch für einen einigermaßen geregelten Schulbesuch eine solche Assistenz braucht. Nun hat die Sozialbehörde sich auf den Standpunkt gestellt, die Schulen sollten die "Auswirkungen von Behinderungen ausgleichen", dafür hat das Sozialressort dem Bildungsressort auch ein bestimmtes Budget zur Verfügung gestellt. Das Bildungsressort gibt das Geld für die staatlichen Schulen aus - private Schulen erhalten nichts. "Das bedeutet in der Regel, dass wir Kinder, für die trotz unserer kleinen Klassen ein persönlicher Betreuungsbedarf besteht, abweisen müssen", sagt der Schulleiter der Tobias-Schule, Dieter von Glahn. Für niedersächsische Kinder wird von den niedersächsischen Behörden selbstverständlich auch persönliche Assistenz finanziert - aber seit einiger Zeit lehnt es Niedersachsen grundsätzlich ab, eigene "Landeskinder" über die Grenze nach Bremen in die Tobias-Schule zu schicken. Selbst Kinder mit Down-Syndrom werden in Niedersachsen inzwischen nicht mehr als "schwer mehrfachbehindert" eingestuft - das wäre die Voraussetzung für eine Ausnahme von der strengen Landeskinder-Regelung.

Der Anspruch auf persönliche Assistenz ist ein individueller Anspruch, erklärte nun das Sozialgericht: Die kinderärztliche Spezialistin habe für Paolo die Tobias-Schule besonders empfohlen - die Wahlfreiheit der Schule "kann die Sozialbehörde nicht dadurch unterlaufen, dass sie nur für bestimmte Schulen die notwendige Eingliederungshilfe zur Verfügung stellt und andere Schulen davon ausschließt".

Sie sei von einer "Privatschulallergie" geplagt, hatte der CDU-Politiker Claas Rohmeyer einmal Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) vorgehalten. Unter dem Vorgänger Bildungssenator Willi Lemke war das Verhalten der Behörde gegenüber den Privatschulen und gegenüber der Tobias-Schule freundlicher, sagt auch der Schulleiter. Seit Jahren gibt es immer wieder Streit um das Transportgeld: Wenn ein behindertes Kind nicht allein zur Schule fahren kann, lässt die Bildungsbehörde es bringen - aber nur zu staatlichen Sonderschulen. Vor Jahren wollte die Behörde ein Kind aus Arsten bis nach Bremen-Nord fahren lassen, um das Taxi-Geld zur Tobias-Schule zu sparen. In diesem Einzelfall konnte die Mutter damals vor Gericht ihr Recht auf freie Schulwahl durchsetzen.

Streit gab es im vergangenen Jahr auch wegen der Gelder aus dem Konjunkturprogramm II. Die Schulbehörde hatte mehrere Millionen zur Verfügung, die staatlichen Schulen konnten Anträge stellen und in den Topf greifen - den privaten verwehrte die Bildungsbehörde das. "Wir hätten gern unsere alten Fenster mit diesem Geld erneuert", sagt Glahn, es ging um 80.000 Euro für die denkmalgeschützte Villa. Die Fenster waren noch einfach verglast. Die Bildungsbehörde lehnte ab mit der Begründung, die Privatschulen bekämen auch sonst keine Bau-Finanzierung.

Der Zuschuss, den die private Sonderschule erhält, liegt knapp über der Hälfte dessen, was Bremen für Sonderschüler im staatlichen System ausgeben muss. "Unsere Schüler werden schlechter gestellt, obwohl es Kinder von Eltern sind, die genauso Steuern zahlen wie die anderen", sagt Schulleiter Glahn.

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