„Es lag in der Luft“

SYMPOSIUM In der Weserburg wird Theorie und Praxis der Konkreten Poesie untersucht

■ 48, ist Leiterin des Studienzentrums für Künstlerpublikationen im Museum Weserburg.

taz: Gibt es heute überhaupt noch nennenswerte Konkrete Poesie, Frau Thurmann-Jajes?

Anne Thurmann-Jajes: Als Kunstbewegung gab es das ja vor allem in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren, heute sehen wir die Einflüsse überall in der zeitgenössischen Kunst.

Warum machen Sie dann gerade jetzt ein Symposium zur Konkreten Poesie?

Interessant gerade heute ist es, sich anzusehen: Wie hat das alles angefangen? In den Fünfzigerjahren entstand die Konkrete Poesie parallel in Brasilien, Schweden, Österreich und der Schweiz – ohne dass die Künstler voneinander gewusst hätten.

Wie kam es damals zu dieser Entwicklung?

Es hat zu der Zeit ein bisschen in der Luft gelegen, aber es lag sicherlich auch am Zweiten Weltkrieg. Die Frage war: Wie kann man nach dem Missbrauch der Sprache durch den Nationalsozialismus noch Kunst und Literatur machen? So wurde Sprache als Material zum Gegenstand der Kunst und die Künstler setzten sich von einem sehr expressiv orientierten literarischen Stil ab.

Hat sich das heute überlebt?

Jede Zeit bringt ihre Form von Kunst und Literatur hervor. Aber die Bewegung war sehr wichtig für die heutige Auseinandersetzung mit Sprache in der Kunst.

Wo lebt das heute noch fort?

Zum Beispiel in der Slam Poetry, wo gerade die lautlichen und formalen Elemente wieder aufgegriffen werden. Oder in der digitalen Poesie, wo Schrift und Sprache animiert wird.

Wird das auf dem Symposium nur theoretisch diskutiert?

Nein. Es kommen auch Künstler, die zu den Pionieren der Konkreten Poesie gehören, Gerhard Rühm etwa, Eugen Gomringer oder Franz Mon, die bis heute künstlerisch arbeiten. Int.: mnz

Bis morgen in der Weserburg. Die Ausstellung „Poetry goes Art“ läuft noch bis 14. August