Wachstum und Natur – das grüne Schisma

Öko-Krise Ex-Umweltsenator Ralf Fücks, Böll-Stiftungs-Vorstand, referierte gestern über die „grüne industrielle Revolution“. Ein „Technikoptimist“, hätte Ex-Umweltsenator Reinhard Loske dazu gesagt

Ralf Fücks träumt von einer „grünen industriellen Revolution“

Bremens früherer Umweltsenator Reinhard Loske war nicht dabei – er ist schon weit weg von Bremen, zurück in der Eifel – als am Sonntag sein Amts-Vor-Vor-Vorgänger und Parteifreund Ralf Fücks zum Thema „Wachsen mit der Natur“ diskutieren wollte. Loske hätte dazu viel zu sagen gehabt – es wäre eine spannende Kontroverse geworden.

Kurz nach seinem Abschied von der Politik in Bremen hatte er einen Aufsatz in den Blättern für deutsche und internationale Politik vorgelegt: „Effizienz versus Suffizienz – das grüne Schisma“, so der Titel. Loske sieht die grüne Politik „fundamental gespalten“ in „Effizienzrevolutionäre“ oder „Technikoptimisten“ auf der einen und „Protagonisten der Suffizienz und des Kulturwandels“ auf der anderen Seite. Zu letzteren zählt er sich selbst. Fücks würde als Propagandist des „Green New Deal“ auf der anderen Seite stehen. Für Loske kommt das dem Versprechen von „Genuss ohne Reue“ gleich. Grünes Wachstum – das wäre so, als wolle man „das schöpferische Vermögen des Kapitalismus“ umprogrammieren. Loske, der anders als Fücks keinerlei linksradikal-kommunistische Vergangenheit hat, hält das für illusorisch. Fücks redet heute von der „Neuerfindung der Industriegesellschaft“.

Mit seinem Hinweis auf Wachstumsgrenzen, Verzicht und Schrumpfungserfordernisse ernte er bei den „Effizienzrevolutionären“ nur müdes Lächeln, schreibt Loske: „Mit so was verschreckt man die Menschen nur.“ Wer den Aufsatz von Loske liest, ahnt, dass er in seine Politik als lokaler Bau- und Umweltpolitiker nur selten seine Grundhaltung einbringen konnte. Fücks hielt dagegen, ohne auf Loske einzugehen, er glaube nicht „an eine kulturrevolutionäre Wende“. Nicht, dass seine Szenarien von Weltklima, Bodenerosion und Raubbau an der Artenvielfalt weniger radikal ausfallen würden. Aber wer soll Interesse an einem Nullwachstum haben? Europa kaum „und schon gar nicht der Rest der Welt“. Weltweit werde es eine Verdoppelung der Erwerbsbevölkerung geben, während das reiche Europa altert, wolle die junge Weltbevölkerung heraus aus der Armut und suche ihr Glück in der globalisierten Welt in dem europäischen Konsum-Vorbild. „Wir stehen in einer der stürmischsten Wachstumsphasen der Weltwirtschaft“, sagt Fücks. Eben deswegen, müsste Loske kontern, brauchen wir „Maßhalten aus Einsicht und Verantwortung“. Fücks dagegen will eine „grüne industrielle Revolution“, in der auf „Ressourceneffektivität“ gesetzt werde und es ein „Wachsen mit der Natur“ geben könne. Die Umstrukturierung der Chemieindustrie in den letzten 20 Jahren ist für ihn ein Beispiel – oder die Anstrengungen direkter Nutzung der Sonne, dieser aktiven Energiequelle für alles Leben auf der Erde.

Fücks hatte Till Stenzel mitgebracht, einen in Bremen groß gewordenen Grünen, der inzwischen von London aus mit seiner Nur-Energie Ltd. das Projekt eines solarthermischen Großkraftwerks in Tunesien vorantreibt und beeindruckend darstellen kann, wie die „grüne industrielle Revolution“ auch auf großtechnologischer Ebene stattfinden kann. KLAUS WOLSCHNER