Ein Spiel nach eigenen Regeln

THEATER Zwischen Experiment, Werkstatt und Kommune: Die „jungen akteure“ der Theaterschule Moks proben die Zwischenzeit und geben allabendlich Einblicke

Ob sich das Ensemble beim „neuromuskulären, interaktiven, aktionsgeladenen Tanz“ ein bisschen über die Methoden des Projekts lustig macht?

VON ANDREAS SCHNELL

Ein wenig darf man sich an George Taboris Theaterlabor erinnert fühlen: Der verordnete seinem Ensemble einst täglich bis zu zehn Stunden Gruppenarbeit einschließlich Meditation. Und einmal wollte er seine Schauspielerinnen und Schauspieler unter ärztlicher Aufsicht 40 Tage hungern lassen.

Das war damals, Mitte der siebziger Jahre, in Bremen ein echter Skandal. Eine Theaterschule wie das Moks ist weniger auf derlei spektakuläre Aktionen aus als auf Lerneffekte.

Dafür wurden neun „junge akteure“, die allesamt bereits Erfahrungen in verschiedenen Theaterprojekten wie „Arabische Jasmin“ gesammelt hatten, für „Zwischen den Jahren“ versammelt, die eine Woche lang im Theaterkontor zum gemeinsamen Leben und Arbeiten in Klausur gingen – gehungert wird übrigens nicht, sondern gemeinsam gekocht. Angeleitet von Klaas Bartsch, Student der Kulturwissenschaften und ästhetischen Praxis in Hildesheim, arbeiten sie bis Freitagabend zum Thema „dazwischen“.

Jeden Abend zeigen Franziska Faust, Louise Mietzner, Kim Laura Moldenhauer, Nora Strömer, Thomas Brandt, Jakob Burmeister, Keno Hankel und Calendal Klose seit Dienstag Ergebnisse der täglichen Arbeit, wobei sie nicht nur den Theaterraum im Theaterkontor in der Schildstraße nutzen, sondern ihnen auch der Flur, das Treppenhaus oder eine Abstellkammer als Bühne zur Verfügung stehen. Zur „Premiere“ – in Anführungsstrichen weil: Eigentlich gibt es ja jeden Abend eine – wurde allerdings in den kleinen Theatersaal geladen, der an diesem Abend eine „andere Welt“ sein sollte. Thema: „zwischen Wachen und Schlafen“.

Diese andere Welt erwies sich als höchst lebhaft: Das Ensemble hatte sich um einen über den Boden verteilten Stapel Spielkarten versammelt und spielte ein Spiel nach Regeln, die nur den Akteuren bekannt waren. Je nach aufgedeckter Karte sprang einer auf und überreichte jemandem aus dem Publikum einen Strohhalm, dann wieder mussten offenbar alle schnell einen höher gelegenen Ort aufsuchen, dann wieder drapierten sie sich mit Lampen und anderen herumstehenden Gegenständen, alles unter ausgelassenem Gelächter. Bis sie auf einmal alle in eine Reihe traten und durcheinander sprachen.

„Die Weltbewohner spielen die meiste Zeit Spiele, die auf ihren ganz eigenen Regeln beruhen“, erklärt eine Erzählerin. Aber dann dürfen wir doch verstehen: Die Geschichte vom brennenden Adventskranz, dessen Rauch einem der Akteure eines Nachts in die Nase stieg und ihn aus dem Schlaf riss. Und die Klarheit: Es muss etwas geschehen. Zwischen Traum und Wachen löscht er in einem Moment völliger Klarheit das Feuer. Das Zittern danach. Ein Traum, der so erschreckend war, dass die Träumerin davon erwachte. Geschichten aus dem Reich zwischen Wachen und Schlafen, die sich an diesen Koordinaten reiben und entzünden.

„Was uns in diesem Projekt interessiert, ist weder das Abspringen noch der Aufprall, wir wollen das Dazwischen greifbar machen“, sagt Klaas Bartsch programmatisch. Der 1988 geborene Student kennt die Arbeit der jungen akteure gut. Seit der Gründung ist er bei ihnen aktiv, erst als Teilnehmer, seit einigen Jahren als freier Mitarbeiter.

Inwieweit sich das Ensemble am Dienstag auch ein kleines bisschen über die Methoden des Projekts lustig macht, als es sich bei einem Ritual namens „neuromuskuläres, interaktives, aktionsgeladenes Tanzen“ verausgabt? Da wäre man als Publikum dann doch durchaus gerne Mäuschen, um zu erfahren, was in dieser Wohn- und Arbeitsgemeinschaft auf Zeit eigentlich noch passiert. Aber dann würde es wohl auch nicht so funktionieren, wie es das tut. Und die gerademal 20-minütige Kostprobe vom Dienstag machte durchaus Lust auf mehr.

■ bis Freitag, täglich 19 Uhr, Theaterkontor, Eintritt frei