Klau, schau, wem

KUNST Am Samstag wird in der Städtischen Galerie der Bremer Förderpreis für Bildende Kunst verliehen. Die Ausstellung zeigt auch die anderen nominierten Arbeiten

„Bei der Eröffnung seiner Retrospektive in der Wiener Albertina bat ich Markus Lüpertz, mir eine aus dem Museumsshop geklaute Postkarte zu unterschreiben“

Max Schaffer

von Andreas Schnell

Der amerikanische Gitarrist Nels Cline erzählte in einem Interview, er habe der Jazz-Legende John McLaughlin einmal gestanden, wie viel er bei ihm abgeschaut habe. Der soll darauf gesagt haben: „We‘re all thieves.“

Max Schaffer, 1985 in Santiago de Chile geboren, dürfte diesen Satz sicherlich gern unterschreiben. Der Preisträger des 35. Bremer Förderpreises für Bildende Kunst begnügt sich allerdings nicht damit, sich am geistigen Eigentum anderer zu bedienen. In den Erläuterungen des Künstlers zu den Arbeiten, die jetzt in der Städtischen Galerie zu sehen sind, gesteht er: „Bei der Eröffnung seiner Retrospektive in der Wiener Albertina bat ich den Maler Markus Lüpertz, mir eine aus dem Museumsshop geklaute Postkarte zu unterschreiben, was er bereitwillig tat.“

Nun zeigt die Postkarte keineswegs ein Lüpertz-Werk, sondern einen Picasso. Ein ziemlich smarter Kniff: Wir denken an Walter Benjamin und seinen Aufsatz über „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“, in dem der Philosoph unter anderem auf den Verlust der Aura der Kunst durch die unbegrenzte technische Vervielfältigung hinweist. Durch Lüpertz‘ Unterschrift wird aus der Postkarte nun wieder ein zumindest vorerst einmaliges Objekt, das Kunst aber nicht so sehr wegen der Unterschrift selbst ist, sondern dadurch welche wird, dass Schaffer es in die Galerie bringt.

Dort schaut es auf die zweite Arbeit des Künstlers, die noch ein ganzes Stück komplexer ist. Der derzeit in Wien studierende Künstler, der 2010 sein Diplom an der Bremer Kunsthochschule machte, beschriftete die Baustellenverkleidung der Wiener Hofburg, die wiederum die Fassade des Bauwerks imitiert, das sie verhüllt, mit einem Zitat des Kulturwissenschaftlers Helmut Draxler. „Between gestures of new beginning and rhetorics of ruin“ stand nun auf der Wandimitation, bis Arbeiter zunächst versuchten, die Aufschrift zu entfernen und später übermalten. Schließlich „wurde in einer nächtlichen Aktion der gesamte überarbeitete Teil der reproduzierten Fassade herausgetrennt und abgenommen“, wie Schaffer auffällig objektlos formuliert. Im letzten Schritt wanderte das Stück Stoff in die Galerie. Aneignung, Grenzüberschreitung, die praktische Kritik an der Kunstkritik, der Transfer von Street-Art in die Galerie, zugleich malerische Auseinandersetzung – die Vielschichtigkeit der Fragestellungen überzeugte die überregionale Jury schließlich.

Aber auch die übrigen Positionen der Ausstellung lohnen den Besuch. Zwischen Malerei, Objekten, Fotografie, Installationen mit performativen Elementen findet sich hier ein Querschnitt durch die regionale Szene auf erfreulich hohem Niveau. Die Arbeit von Walter Zuborg war ein Anwärter auf den Förderpreis. Seine interaktive Installation „Rabenscheuche“ besticht durch den Kontrast zwischen archaischem Material und moderner Technik. Der zum Beichtstuhl umgebaute Kleiderschrank des Duos Steinacker/Willand gleich gegenüber lädt ein, sich in das eigentümliche Verhältnis von Priester und Sünder einzufühlen. Buchstäblich hervorstechend die Arbeit von Ina Raschke, die mit subtilen Mitteln verblüffende Wirkung erzielt.

■ Vernissage: Samstag, 19 Uhr, Ausstellung bis 26. 2., Städtische Galerie