„Es braucht einen Filter“

Vortrag Was bringen Internet-Proteste und wie hängen sie mit der realen Welt zusammen?

■ 29, studiert Informatik an der Uni Bremen und ist Mitgründer des Chaos-Computer-Clubs in Bremen.

taz: Herr Raible, wie haben soziale Netzwerke im Internet das Bürger-Engagement verändert?

Sebastian Raible: Es ist viel einfacher geworden, seine eigene Geschichte hörbar zu machen – ohne einer Partei oder einer Organisation wie einer Gewerkschaft anzugehören. Früher musste ein solches Engagement langfristig angelegt sein, heute geht es um kurzfristige Mobilisierung, Leute engagieren sich themen- oder kampagnenbezogen. Und der Zugang ist niedrigschwellig, Hierarchien werden umgangen.

Aber wie nachhaltig kann ein solches Engagement sein?

Klar, mit ein paar Klicks, mit denen man einer Kampagne zustimmt, ist es nicht getan. Aber es gibt eine Reihe von Gegenbeispielen, in denen der Protest im Netz Veränderungen in der „realen“ Welt angestoßen hat.

Haben Sie ein Beispiel?

Die erfolgreichen Proteste gegen Acta …

das Urheberrechts-Abkommen, das von Internet-Aktivisten als Zensur kritisiert wird …

… genau die wurden auf Facebook organisiert.

Aber fällt Ihnen etwas ein, wo sich die Netz-Gemeinde so stark engagiert hat und es ging nicht um Einschränkungen im Internet?

Der arabische Frühling ist für mich ein solches Beispiel. Da ging es nicht nur um Koordination von Demonstrationen, sondern auch um die Bestätigung der eigenen politischen Arbeit und Überzeugung. Aber es brauchte die Massenmedien, um das so groß zu machen.

Das Netz macht Journalismus nicht überflüssig?

Nein, gar nicht. Journalisten und Journalistinnen haben die Aufgabe, die vielen Geschichten, die im Netz erzählt werden, zu filtern. Genauso bin ich überzeugt, dass es weiterhin Berufspolitiker und -politikerinnen geben muss, um langfristige Veränderungen zu bewirken. eib

Vortrag „Vom Flugblatt zur Facebook-Revolution“: 18 Uhr im Presseclub, Schnoor 27/28