„Ein ausgeklügeltes System“

Podiumsdiskussion Die GEW streitet mit der Bildungsbehörde über Inklusion an Schulen

■ 60, ist Sonderschullehrer an einem Förderzentrum in Bremen und Mitglied der GEW-Fachgruppe Sonderpädagogik.

taz: Herr Siemer, Sie unterrichten selbst an einem Förderzentrum – die meisten Eltern melden ihre Kinder jetzt an den Regelschulen an. Laufen Ihnen die Schüler weg?

Rudolf Siemer: Nein, die Förderzentren sollen ja ohnehin aufgelöst werden. Damit hat sich Bremen beispielhaft auf den Weg gemacht, denn so wird verhindert, dass Menschen ausgegrenzt werden. Ein so ausgeklügeltes System, das Schüler und Schülerinnen wegsortiert, gibt es weltweit nur in Deutschland. Hier werden nicht die Stärken gesehen, sondern nur die vermeintlichen Schwächen.

Haben Sie dann in Ihrem Berufsleben alles falsch gemacht?

Nein, früher hatten unsere Schüler und Schülerinnen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt, das ist völlig weggebrochen. Selbst aus einer Hauptschulklasse schaffen es nur noch zwei bis drei.

Als Gewerkschafter tragen Sie auch Verantwortung für die Lehrer, die sich für die Inklusion von Förderkindern für nicht zuständig halten.

Das geht alle an, die ganze Gesellschaft. Und in den letzten zehn bis 15 Jahren sind an den Regelschulen die lernschwachen Kinder mit Förderbedarf doch längst angekommen! Nur ist der bei denen nicht ausgewiesen – und die Kollegen und Kolleginnen haben versucht, das irgendwie alleine zu wuppen.

Über immer schwierigere Schüler klagen sehr viele erfahrene Lehrer.

Ja, das liegt an dem erheblichen gesellschaftlichen Wandel, der Probleme mit sich bringt, auf die die Schulen nicht angemessen reagieren können, wenn Deutschland weiterhin so wenig Geld für Bildung ausgibt.

Die Vertreterin der Bildungsbehörde wird Ihnen heute auf dem Podium vorrechnen, wie viele Lehrer und Lehrerinnen neu eingestellt wurden.

Die 100 zusätzlichen Stunden für Sonderpädagogen sind wichtig. Aber das reicht einfach nicht.

Interview: EIB

19 Uhr, Uni- Gästehaus, Teerhof 58