„Das ist meine Musik“

Die junge Jodlerin Nadja Räss meint: „Beim Jodeln kann man ganz viel ohne Worte ausdrücken“

Die 29-jährige studierte Gesangspädagogin ist eine der populärsten Musikerinnen der alternativen Jodelszene. Derzeit ist sie auf Tour mit der Akkordeonspielerin Rita Gabriel Schaub.

INTERVIEW ANDREAS RÜTTENAUER

taz: Frau Räss, Sie gelten als Neuerin in der Volksmusik. Sind Sie eine coole Jodlerin?

Nadja Räss: Ich habe schon ganz früh gesagt, ich werde mal Jodlerin und ich mache sicher viele neue Dinge, aber ich orientiere mich auch an Altem. Vor 100 Jahren, als der Eidgenössische Jodelverband gegründet wurde, hat man den Jodelgesang noch mit den unterschiedlichsten Instrumenten begleitet, mit Gitarre etwa oder mit Klavier. Dann wurde 1952 eine Regel aufgestellt, dass nur noch das Akkordeon als Begleitinstrument zugelassen ist bei den Jodlerfesten.

Sie machen das anders?

Ja. Und doch haben all die Sachen, die ich mache, einen Ursprung. Mein Motto ist: Neues aus Altem entstehen zu lassen.

Kann eigentlich jeder jodeln oder muss man in der Tradition aufgewachsen sein?

Jodeln kann auch lernen, wer nicht aus der Tradition kommt, auch wenn es in meiner Kindheit stets präsent war. Mein Vater kommt aus dem Appenzeller Land. Wir haben diese Musik zu Hause im Radio gehört, haben auch selbst viel gesungen, vor allem auf Familienfesten. Aber: Ich habe noch drei Geschwister, und die jodeln überhaupt nicht.

Sie geben auch Jodelkurse. Wer meldet sich dazu an? Das sind zum Großteil Leute, die nicht aus der Tradition kommen, Leute, die auf den Geschmack gekommen sind. Es gibt aber auch immer wieder solche, die in der Kindheit bombardiert wurden mit dieser Musik, sich dagegen gewehrt haben, sich auch gegen die Eltern gestellt haben. Und wenn sie älter werden, merken sie: Das ist doch meine Musik.

Ihre Kurse finden oft hoch oben in den Bergen statt. Braucht man die Berge zum Jodeln?

Ich habe auch Kurse in Zürich gegeben. Die fanden unter der Woche statt, da sind die Leute ganz gestresst von der Arbeit gekommen und haben sich dann zwei Stunden auf das Jodeln eingelassen. Das ist auch spannend. Aber wenn die Leute eine Woche in die Berge kommen, können sie abschalten, und das wirkt sich natürlich positiv aufs Jodeln aus.

Stimmt es, dass Jodeln in der Schweiz immer populärer wird?

Ja, es gibt eine Renaissance. Das kann auch wieder abebben. Ich hoffe das nicht. Denn ich finde es wichtig, dass man sich mit seiner eigenen Kultur beschäftigt. Und genau das findet gerade statt.

Ist Jodeln Weltmusik?

Doch, es gibt immer wieder Anfragen aus dem Ausland, und wenn man als Schweizer ins Ausland geht, wird man gefragt: Können Sie denn jodeln? Mein Glück ist, dass ich dann Ja sagen kann. Und weil Jodeln auch ohne Text funktioniert, ist das für alle verständlich. Das ist für mich so faszinierend: Man kann ohne Worte ganz viel ausdrücken.

■ Bei Interesse an einem Auftritt oder Workshop mit Nadja Räss: mail@jodel.ch, Tel.: (00 41 43) 5 39 58 32