Die Lethargie ist vorbei

KUBA Die kubanische Regierung hat die Gesetze gelockert und lässt inzwischen immer mehr Privatwirtschaft zu

  Einreise: Reisende brauchen eine Touristenkarte (erhältlich in der Botschaft oder im Reisebüro) und einen Nachweis über eine Auslandskrankenversicherung. Eine Impfung gegen Hepatitis A wird empfohlen. Bei der Ausreise sind 25 Dollar Flughafensteuer zu zahlen.

  Reisen im Land: Das kubanische Zugnetz ist weder gut ausgebaut noch pünktlich. Mit den Touristenbussen der Linie Viazul erreicht man die größeren Städte und touristisch interessanten Orte. Tickets sollte man einen Tag im Voraus kaufen. Aufs Land kommt man in überfüllten Linienbussen, stehend auf der Ladefläche von Lkws oder mit dem Taxi. Einen Leihwagen zu mieten kostet ca. 70 Dollar pro Tag.

  Klima: Die Durchschnittstemperatur in Kuba beträgt 25 Grad. Von November bis April: 25 bis 27 Grad, in den Sommermonaten bis 35 Grad. Von Mai bis Oktober ist Regenzeit, im Herbst gibt es die meisten Hurricanes.

  Casa Particular: Eine Übernachtung kostet 20 bis 30 Dollar pro Doppelzimmer, Frühstück ca. 4 Dollar, Abendessen 6–10 Dollar. Ein privates Badezimmer, ein Kühlschrank und eine Klimaanlage/ Ventilator sind Standard. Internetadressen: www.holacuba.de, www.casaparticular.info, www.cuba-junky.com

  Auskunft: Kubanisches Fremdenverkehrsamt, Kaiserstr. 8, 60311 Frankfurt, Tel. 0 69/28 83 22, www.cubainfo.de

VON BEATE SCHÜMANN

Auf der Mauerbrüstung des Malecón liegen ein blaues Tuch und eine Wassermelone. Eliseo hat die Opfergaben für Yemayá abgelegt, die Meeresgöttin. „Immer wenn ich Probleme habe, gehe ich zu ihr ans Meer“, sagt er. Yemayá ist im afrokubanischen Santeriakult die Mutter aller Lebewesen, Eliseos Schutzpatronin. Diesmal ruft er sie an, weil er Angst um die Zukunft hat. „Die Regierung will wegen der Wirtschaftskrise 500.000 Leute entlassen.“ Die Göttin soll seinen Job retten. Die Wellen spritzen meterhoch und verpassen den Passanten eine kräftige Dusche. Ein Zeichen von Yemayá, dass sie ihn erhört hat?

Ein dreirädriges Taxi hält, der Fahrer winkt. „Rentar una fantasia“ steht auf dem gelben Heck: miet dir ein Luftschloss. Im 20 Minuten holpert das Tuk-tuk-ähnliche Gefährt flott über die unebenen Straßen in die Altstadt von Havanna. Im Unesco-geschützten Quartier glänzen die Kathedrale und die prächtig restaurierten Bauten aus der Kolonialzeit. Durch Straßen wie die Calle Obispo, Obrapia und San Ignacio strömen Touristen, die der historischen Atmosphäre nachspüren, und Kubaner, die die Nähe der Touristen suchen. Auf der Plaza de Armas preisen Buchhändler Revolutionsdevotionalien und Künstler stricheln blitzartig Karikaturen aufs Papier. Frauen posieren auf der Plaza de la Catedral in bunten Trachten und Opas mit dicker Zigarre im Mund. Für eine paar Peso Convertible (CUC) lassen sie sich gerne fotografieren. Im Jahre 1994 wurde in Kuba dieses Zahlungsmittel eingeführt, um den Umtausch und die Devisengeschäfte zu erleichtern.

Unter den Arkaden der Plaza Vieja spielen Combos Interpretationen von Son, Bolero und Guaracha und versilbern sie gleich vor Ort: pro CD zehn CUC. Vor dem Rum-Museum in der Calle San Pedro offerieren Besitzer von Amischlitten Stadtfahrten mit einem Buick oder Chevrolet, pro Stunde 25 CUC – das entspricht umgerechnet einem Monatslohn in kubanischen Peso (CUP) und 20 Euro. Kuba bereitet sich auf die Privatwirtschaft vor. Zumindest im Tourismus.

Sukzessive erlaubte die kubanische Regierung ein bisschen Unternehmertum, etwa bei Taxis, Privatrestaurants und privat geführten Pensionen, die mit diversen Beschränkungen auf eigene Rechnung agieren dürfen. Denn der Sozialismus soll bleiben, und „den Markt“ halten viele für politisch gefährlich.

Doch das Land ist wirtschaftlich am Ende. Die Regierung kündigte deshalb im September Entlassungen an und forderte mehr Privatinitiative. Auf dem Parteikongress im kommenden April sollen grundlegende Reformen beschlossen werden. Bei aller Ungewissheit scheint eines gewiss: einen strukturellen Wandel muss es aufgrund der wirtschaftlichen Lage geben.

Königspalmen, Reisfelder und blühende Flammenbäume säumen die Straße auf dem Weg nach Pinar del Río. Bauern ziehen mit Ochsenkarren neue Furchen in die Äcker, Beregnungsanlagen rollen über Felder, Gazeplanen spannen sich über Setzlinge. Die Lethargie ist passé, seit der Staat an Privatbauern bis zu 65 Hektar brachliegendes Land verpachtet, um die Lebensmittelversorgung anzukurbeln. Eine mühsame Arbeit, denn es mangelt an allem: Werkzeug, Saatgut, Düngemittel, Benzin. Fast zynisch mutet da Comandante Raúls Ausspruch auf einer Plakatwand an: „Por muy grandes sean las dificultades, vayan adelante!“– Seien die Schwierigkeiten noch so groß, wir gehen voran!

Rote Erde kündigt die Tabakregion Vuelto Abajo und den Nationalpark Viñales an, wo grün bewachsene Kalksteinfelsen wie Elefantenrücken aus dem Boden wachsen. Pinar del Río ist eine staubige Stadt, in der sich Besucher vor allem die Tabakfabrik Francisco Donatién und die farbenfrohen Arkadenhäuser ansehen. Am neoklassizistischen Teatro Milanés hat Guillermo seine schattige Terrasse in einen Barbiersalon verwandelt. Frisiersalons gehören zum Pilotprojekt für selbständige Arbeit. „Ein Schnitt mit Rasur 20 Pesos!“ Er strahlt, weil er jetzt wesentlich mehr als vorher verdient.

„Kuba wird leben“, lautet die Botschaft. „Die Menschen werden in Freiheit, Würde und Unabhängigkeit leben“

Orlando Palacio, Santero

Camagüey ist die Stadt der Tonkrüge, der Kirchen und der Fahrräder. „Woher kommst du?“ Der junge Mann bremst abrupt und hält sein Fahrrad an. „Deutschland?“, fragt er: „Wunderbar. Alles gut. Ohne Fleiß kein Preis.“ Er lacht, steigt wieder aufs Fahrrad und verschwindet in der Menge der Drahtesel. Ob gewollt oder nicht. Der Satz sagt viel darüber aus, was viele Kubaner gerade beschäftigt. Für die Stadttour ist hier nichts typischer als das Bici-Taxi.

In der Hitze strampelt sich der Fahrer mit der Zwei-Personen-Last ab, kurvt zur Nuestra Señora de la Merced, der ältesten Kirche der Stadt, zur Plaza San Juan de Dios, dessen koloniale Atmosphäre sorgfältig gepflegt wird, und zur Plaza del Carmen, auf der die Künstlerin Marta Jimenez ihre lebensgroßen Skulpturen wie die „schwatzenden Damen“ zum Inventar des Platzes gemacht hat. Die Abgebildeten sind Menschen aus dem Viertel, die sich für ein paar CUC gern neben ihrem Abbild aus Bronze fotografieren lassen. Die Tour endet am gut besuchten Bauernmarkt. Dort gibt es Gemüse, Obst und Fleisch. „Bananen?“ Für einen CUC reicht die Verkäuferin einen ganzen Arm voller Früchte. Nur am Knoblauchstand ist kein Mensch: ein Strang soll 60 Pesos kosten, ein Viertel eines Monatslohnes.

Der Friedhof Santa Ifigenia in Santiago ist seit dem Tod von Compay Segundo 2003 zum Pilgerziel der Buena-Vista-Fans geworden ist. Man muss gelassen sein, lautete das Motto von Compay Segundo. Gelassenheit braucht man auch, wenn einen die Neugier zum Santero schickt. Schon auf der Fahrt zum Magier Babalao durch düstere Viertel verlässt sie einen. Schließlich steht man vor dem Magier, der im richtigen Leben Orlando Palacio heißt.

„Wegen der Zukunft kommen viele“, grinst er und setzt sich eine weiße Kappe auf. Er wirft Kaurimuscheln, Steine und eine Kette aus Kokosnussschalen auf den Boden. Der alte Mann schließt die Augen, brabbelt mit den Göttern und wirft die Kette erneut. „Deine Zukunft ist rosig“, flüstert er. Und die Kubas? Er wirft die Kette erneut. „Kuba wird leben“, lautet die Botschaft. „Die Menschen werden in Freiheit, Würde und Unabhängigkeit leben“, sagt er bestimmt. Dann verlangt er 10 CUC und verschenkt großzügig einen Kuss auf die Wange.

■ Diese Reise erfolgte auf Einladung von Studiosus