Die verlorene Hexe

Er sieht mich an, als hätte ich nach hundert Gramm frischem Hackfleisch gefragt. Heiße Hexe? Jibt’s nich, sagt der Tankwart. Ham’ wa nich bei Esso.

Bei Shell, einen Kilometer weiter, sieht mich der Tankwart überhaupt nicht an. Er nickt bloß Richtung Tiefkühltruhe. Dort sieht es traurig aus. In der einen Ecke zwei Pizzen, in der anderen nichts. Hm. Und jetzt? Wo ist sie hin, die Heiße Hexe, die gab’s doch früher an jeder Tanke!

Zweiter Versuch bei Shell, diesmal telefonisch: „Diese Burger für die Mikrowelle, in einer Minute verzehrbereit. Die mit dem wilden Schriftzug auf der Verpackung!“ Mit der heißen Hexe, die auf einer Gabel von links nach rechts flitzt. Shells Pressefrau ist wenig erfreut über mein Anliegen, beinah pikiert. Sagt: „Ich kümmere mich darum“. Sie kümmert sich nicht darum.

Anruf bei Aral. Der Pressemann lacht und legt auf.

Anruf bei Langnese. Warteschleife. Hallo? Warteschleife. Dann, ein Lichtblick, ein Mann, der weiß, dass die Heiße Hexe zwischenzeitlich nicht von Langnese, sondern von Dr. Oetker vertrieben wurde und „Bistro“ hieß, mittlerweile wieder von Langnese vertrieben wird, auch wieder Heiße Hexe heißt, aber nicht mehr an Tankstellen verkauft wird. Und dann, juhu, danke, danke, eine Frau, die mir sagt, dass man die Burger, auch die Hot Dogs und die Pommes, noch an einem Kiosk in Berlin kaufen kann. Beim Minigolf-Stand in Neukölln. Ich will sie umarmen.

Abends riecht es in meiner Wohnung nach Fett. Altem Fett. Hält man die obere Brötchenhälfte mit zwei Fingern in die Luft, hält man den ganzen Chickenburger in die Luft. Schneidet man ihn in der Mitte durch, kommen grün-braune Stücke zum Vorschein, die sowohl als Gurken- als auch als Zwiebelreste gedeutet werden können. Kürzen wir es ab: Mit jenem Burger ist es wie mit einem schlechten One-Night-Stand. Davor war er noch eine gute Idee. ANNABELLE SEUBERT