Lastkähne zu Hausbooten

Auf dem Wasser in einem schwankenden Kahn zu leben, ist romantisch, aber in Berlin weiterhin eine große Ausnahme. Zwei Hausbootbewohner im Interview über ihr arbeitsaufwändiges Lebensprojekt

INTERVIEW OLE SCHULZ

Der amerikanische Künstler Brad Hwang (38 Jahre) Jahre und seine Frau Elli (36) leben gemeinsam mit Tochter Joy seit sieben Jahren auf einem Hausboot bei der Tiergartenschleuse.

taz: Wie ist es dazu gekommen, dass ihr auf ein Hausboot gezogen seid?

Brad Hwang: Ich bin Anfang der 90er-Jahre nach Berlin gekommen und gleich in Mitte gelandet. Irgendwann war die schöne Zeit dort vorbei. Ich hatte keine Lust, die ganze Aufwertung und Immobilienspekulation mitzumachen. Die Idee mit dem Boot war dann purer Zufall. Meine Frau, die aus Berlin kommt, erzählte davon, dass sie beim S-Bahn-Fahren immer diese kleine Kolonie von Hausbooten im Tiergarten sieht. Eines Tages haben wir mit Fahrrädern einen Ausflug dorthin gemacht und uns nach einem leer stehenden Lastkahn erkundigt, der da lag. Er gehörte einem Professor, der jemand suchte, der sich des Schiffes annimmt und es ausbaut. Am Ende haben wir ihm das Boot für etwa 20.000 Mark abgekauft, dazu kamen noch rund 10.000 Mark Nebenkosten. Alles in allem war das ein äußerst fairer Preis, weil er auch das Liegerecht umfasst.

In welchem Zustand war das Schiff damals?

Brad Hwang: Es war ein leerer Stahlcontainer, der überhaupt nicht isoliert war. Es gab absolut nichts. Zuerst habe ich ein Dach gebaut und in einer kleinen Kajüte gewohnt. Dann ging das Stück für Stück. Das Kinderzimmer für unsere Tochter ist zum Beispiel erst zu Weihnachten fertig geworden. Ein solches Schiff ist ein Lebensprojekt.

Jetzt sieht das Schiff aber ziemlich wohnlich aus …

Elli Hwang: Ich würde sagen, ich habe noch nie so komfortabel gewohnt wie heute, auch wenn einige Dinge gewöhnungsbedürftig waren. Zum Beispiel, dass man über Deck gehen muss, wenn man ins Bad und in das Schlafzimmer will. Das hat aber auch Vorteile: Unsere Tochter kann in Ruhe schlafen, während wir bei uns in der Wohnküche eine kleine Party feiern.

Brad Hwang: Das Schiff ist 30 Meter lang und circa dreieinhalb Meter breit. Mit den kleinen Stauräumen haben wir insgesamt rund 90 Quadratmeter Wohnfläche. Das ist nicht allzuviel, reicht uns aber – zumindest in dieser Umgebung.

Was gefällt euch daran, hier zu wohnen?

Elli Hwang: Das Schönste ist, dass wir mitten in der Stadt leben und trotzdem im Grünen. Wir gehen oft nach draußen an Deck, auch im Winter, haben den Himmel über uns, hören die Enten, und der Tiergarten ist unser Vorgarten …

Brad Hwang: Außerdem müssen wir kaum Miete bezahlen.

Wie hoch ist die Miete denn?

Brad Hwang: Die ist ziemlich niedrig, weil auf Wasserwegen andere Regeln als an Land gelten und man keine Miete für Grund uns Boden bezahlen muss. Die Pacht für den Liegeplatz bemisst sich nach der Länge des Schiffes. Wir bezahlen rund 120 Euro im Jahr. Von den Kosten her ist es ungefähr so billig, wie eine Laube zu unterhalten.

Habt ihr Kontakt zu euren Nachbarn?

Elli Hwang: Es ist wie in einem Dorf, wir kennen uns alle untereinander und kommen gut miteinander aus. Nebenan haben wir einen Skulpturengarten errichtet und im Sommer machen wir manchmal Kunstaktionen. Es liegen ja nur sechs bewohnte Schiffe hier. Uns drei mit eingerechnet sind das nicht mehr als zehn Menschen, die hier leben, einige davon schon über zwanzig Jahre. Früher haben hier vor allem Binnenschiffer gewohnt, die in Rente gegangen waren.

Gibt es denn auch irgendwelche Nachteile, auf dem Wasser zu leben?

Brad Hwang: Eigentlich nicht. Das Einzige, was nervt, ist, dass unser Schiff immer ein wenig schief liegt. Im Winter können wir das dadurch ausgleichen, dass wir das Heizöl auf der höher liegenden Seite lagern.

Elli Hwang: Als unsere Tochter Joy laufen gelernt hat, dachten wir schon, das könnte ihrem Gleichgewichtssinn schaden, aber inzwischen hat sie sich gut daran gewöhnt (lacht).

Ist es für euch eine Übergangslösung, hier zu wohnen, oder könnt ihr euch das auch auf Dauer vorstellen?

Brad Hwang: Uns gefällt es hier sehr gut, aber mal schauen, wie sich die Gegend entwickelt. Gegenüber bauen sie gerade ein großes Hotel und wir befürchten, dass auf der Wiese neben uns ein Biergarten hinkommt. Irgendwie habe ich das Gefühl, Berlin-Mitte verfolgt mich.

Und was wollt ihr machen, wenn auch diese Gegend aufgewertet wird?

Brad Hwang: Wenn es uns zu viel wird, dann mache ich das Schiff notfalls einfach wieder fahrtüchtig und wir ziehen weiter. Wir sind immerhin die Einzigen hier, die noch einen Motor an Bord haben. Ich bin mir nur nicht sicher, wie die ganzen Einbauten darauf reagieren, wenn der Motor angeworfen wird – ob das zum Beispiel die Fußbodenheizung und der Estrich im Bad aushalten, das direkt über dem Maschinenraum liegt.