Reisen und erfahren

Themenreisen rund um Fairen Handel setzen auf Begegnung und Nachhaltigkeit. Das wird von vielen geschätzt, der Marktanteil wächst

VON MARTINA JANNING

„Im Moment geht es steil bergauf“, sagt Rolf Pfeifer, Geschäftsführer von „forum anders reisen“, dem einzigen deutschen Unternehmensverband für nachhaltigen Tourismus. „Die Wachstumsraten unserer Mitglieder betragen im Schnitt 10 bis 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.“ Zugegeben, der Verband vertrete Klein- und Kleinstunternehmen. „Aber nachhaltiges, faires Reisen ist in den vergangenen zehn Jahren definitiv stärker gewachsen als der konventionelle Tourismus.“ Nachfrage ist da und die Zahl der Angebote steigt. Seit Jahresbeginn haben sich allein 25 neue Veranstalter dem Dachverband angeschlossen. Die 125 Mitglieder haben nun rund 1.700 sozial- und umweltverträgliche Reisen im Programm. Eine Übersicht finden Interessierte seit Mitte März auch im Internet. Etwa ein Drittel der Angebote ist sogar direkt online buchbar.

Die Zielgruppe für nachhaltiges Reisen sei eher das Bildungsbürgertum, konstatiert Pfeifer. „Das ist ein Markt, der finanziell noch immer sehr gut dasteht.“ Diese Menschen reisten einfach mehr. „Leider fahren sie aber zunehmend eher kürzer“, beklagt der Reiseexperte. „Das bringt ökologische Belastungen mit sich.“ Ein echtes Problem – gerade für Veranstalter, die sich umweltverträgliches Reisen auf die Fahnen geschrieben haben. Ein Kriterium des „forums anders reisen“ lautet nämlich, dass Reisen an Ziele, die weiter als 2.000 Kilometer entfernt liegen, mindestens 15 Tage dauern müssen. Dem Trend zu kürzeren Aufenthalten könnten und wollten sich aber auch Anbieter von Ökotourismus nicht völlig verschließen und suchten nach tragbaren Lösungen. Ein Ansatz: „Atmosfair“.

Im Mai dieses Jahres entstand die gemeinnützige GmbH Atmosfair, hervorgegangen aus der gemeinsamen Initiative vom „forum anders reisen“ und der Umwelt- und Entwicklungsorganisation „Germanwatch“. „Erstes Ziel ist es, über den Umweltschaden beim Fliegen aufzuklären“, erklärt Mitgründer Pfeifer. Mit einem Emissionsrechner auf der Internetseite der Gesellschaft lässt sich die Kohlendioxidmenge ermitteln, die ein Flug verursacht. Die entstehenden Umweltbelastungen werden durch zusätzlichen Klimaschutz ausgeglichen, so die Idee. Reisende erfahren, was es kosten würde, die entsprechende Emissionsmenge in alternativen Energieprojekten in Entwicklungsländern wieder einzusparen. Ein Flug von Berlin nach Rio de Janeiro und zurück entwickelt beispielweise rund 6.940 Kilogramm Kohlendioxid. Kompensationskosten: 121 Euro. Die investiert Atmosfair dann etwa in Solarenergie, Windkraft und Biogas. Kurz-Fernreisende werden vom Veranstalter oder Dachverband auf Atmosfair hingewiesen, sagt Pfeifer. Zahlungen sind jedoch freiwillig.

Wer nicht nur sozial- und umweltverträglich reisen, sondern etwas über Fairen Handel erfahren will, ist bei Fairtours richtig. Unter diesem Label bietet der Reiseveranstalter AvenTOURa „Begegnungsreisen“ an: Während zweiwöchiger Fahrten durch Costa Rica und Guatemala besuchen kleine Reisegruppen Kaffeebauern, die für den Fairen Handel produzieren. Für Mai 2006 ist eine Reise rund ums Kunsthandwerk durch Peru geplant. Diesen November soll es eine Tour zum Thema „Fair Trade“ geben, bei der die Reisenden Partner des Fair-Handelsunternehmens gepa und Projekte der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Mexiko besuchen. Die GTZ unterstützt Ökotourismus ebenso wie der DED, der Deutsche Entwicklungsdienst (siehe Kasten). Die Idee: Reisende erhalten Einblicke in den Alltag des Gastlandes, die ihnen bei einem konventionellen Urlaub verborgen blieben. Die Gastgeber profitieren durch Arbeit und Einkommen.

Fairreisen-Angebote unter www.forumandersreisen.de und www.fair-tours.com. Zu den ökologischen Belastungen von Flugreisen: www.atmosfair.de