Bankgeheimnis vorläufig gewahrt

Das Bundesverfassungsgericht hat es den Ämtern untersagt, die Bankkonten von Sozialhilfeempfängern und ALG-II-Beziehern einzusehen. Nach der anstehenden Unternehmenssteuerreform aber wird auch das möglich sein

Von Kai von Appen

Die Sozialämter und Arbeitsagenturen dürfen nicht einfach auf die Konten von Sozialhilfe- und Arbeitslosengeld-II-Empfängern sowie deren Angehörigen zugreifen: Dem Bundesverfassungsgericht zufolge ist das ein unzulässiger Eingriff in das „informationelle Selbstbestimmungsrecht“. Das Gericht gab insoweit der Verfassungsbeschwerde von zwei Hamburgern nach.

Der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Sproß war für die beiden vor das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe gezogen. Die Taxifahrerin, die er vertrat, bezieht monatlich Wohngeld in Höhe von 26 Euro. Der zweite Mandant, ein Sozialhilfeempfänger, klagt derzeit auf den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente vor dem Sozialgericht. Bei beiden hatten die Ämter die Bankkonten eingesehen, um zu prüfen, ob sie in ihrem Antrag Einkünfte verschwiegen hatten.

Die Ämter berufen sich auf Paragraf 93 der Abgabenverordnung. Das Instrument der Kontoabfrage wird vor allem von Finanzämtern, Zoll und der Polizei genutzt, um Straftaten wie Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu bekämpfen. Doch auch einige Sozialbehörden haben sich die Regelung, die im April 2005 in Kraft getreten ist, zunutze gemacht. Dabei haben sie nicht nur die Konten der Leistungsempfänger selbst überprüft, sondern auch die von Kindern, Ehepartnern, Lebensgefährten und Mitbewohnern: Diese Personengruppen gehören zu der „Bedarfsgemeinschaft“, deren Einkommen und Vermögen zum Nachweis der Leistungsberechtigung herangezogen werden. Daher muss nicht nur der Hilfeempfänger allein sein Vermögen wie Konten, Sparbücher, Gemälde, Antiquitäten, Immobilien, Autos oder Werteansammlungen offenlegen.

Das Bundesverfassungsgericht sieht dadurch die Persönlichkeitsrechte der Leistungsempfänger wie auch ihres persönliches Umfeldes verletzt: Eine ausreichende Rechtsgrundlage für einen solch gravierenden Grundrechtseingriff gebe es nicht. Der von den Ämtern zitierte § 93 Abgabenordnung jedenfalls reiche dafür nicht aus, so die Verfassungsrichter. Er sei zu schwammig formuliert, um den Grundrechtseingriff zu legitimieren. Gesetze sollten durch „Klarheit und Bestimmtheit“ dazu dienen, die Verwaltung „zu binden“ und ihr Verhalten nach „Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen“, so die Richter. „Die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt sein.“ Deshalb müssten der Anlass, Zweck und die Grenzen des Eingriffs im zugrunde liegenden Gesetz präzise festgelegt werden, „damit sich der betroffene Bürger auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann“.

Für Anwalt Sproß ist durch das Karlsruher Urteil der ungehemmten Datensammelwut im Bereich der Leistungsverwaltung ein Riegel vorgeschoben – allerdings nur für eine begrenzte Zeit. Denn dem Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht aufgetragen, bis Mai 2008 ein neues Gesetz vorzulegen, falls die Ämter weiterhin Zugriff auf die Konten von Leistungsempfängern haben sollen. Und der Gesetzgeber ist nicht untätig geblieben: Im Zuge der Unternehmenssteuerreform wird nun auch die Abgabenordnung geändert.

Dort wird dann ausdrücklich vorgesehen sein, dass die für das Arbeitslosengeld II, für Wohngeld oder auch Bafög zuständigen Behörden Kontoabfragen vornehmen dürfen. Nach dieser Neuregelung muss die Behörde noch nicht einmal zuerst beim Betroffenen nachforschen. Sondern sie kann auch gleich den Weg der nun ermöglichten Kontoabfrage wählen – wenn das Auskunftsersuchen an den Betroffenen selbst „keinen Erfolg verspricht“.