Klötzchen – nicht kleckern
Flach und fließend

Wie Stararchitekten des Hansaviertels aus Gebäudetypen eigenwillige Unikate machten

Arne Jacobsen war passionierter Pfeifenraucher. Auf Porträtfotos präsentierte sich der Architekt und Designer stets mit Zeichenstift und Pfeife. Jacobsen war ein kreativer Multitasker mit vielen Talenten: Er baute nicht nur Häuser, er schuf auch die passende Einrichtung. Viele seiner geschwungenen Objekte avancierten schon zu Lebzeiten des 1971 verstorbenen Dänen zu Klassikern.

Für seine vier Einfamilienhäuser in der Händelallee entwarf Jacobsen auch die Tapeten. Anders als bei seinen Möbeln favorisierte er bei Gebäuden strenge Linien und sachliche Funktionalität. Den Wohnbereich der Bungalows trennte er klar vom Schlaftrakt – laut Interbau-Katalog, um das Wohnzimmer von „Durchgangsverkehr“ frei zu halten. Drei Häuser haben einen Innenhof, der von dem jeweiligen Gebäude ganz umschlossen wird. Dieses „Zimmer im Freien“ entsprach dem Ideal der Moderne, Natur und Innenraum fließend ineinander übergehen zu lassen. Große Fenster zum Garten sorgen für zusätzliche Transparenz – und guten Abzug von Pfeifenrauch.

Hoch und schmal

Die Giraffe ist das höchste Tier der Welt. Kein Wunder, dass die Berliner dem Punkthochhaus in der Klopstockstraße eben diesen Spitznamen verpasst haben: Die „Giraffe“ ist mit stolzen 53 Metern das höchste Gebäude des Hansaviertels.

1957 war das von den Poelzig-Schülern Klaus Müller-Rehm und Gerhard Siegmann gebaute Haus eine Sensation. Das deutsche Architekten-Duo schuf 164 Wohnungen auf 17 Etagen mit einer Gesamtwohnfläche von 5498 Quadratmetern – ein Triumph des damaligen Hochhausbaus.

Die zwischen 32 und 42 Quadratmeter großen Einzimmer-Apartments waren ausschließlich Singles vorbehalten. Für Männer gab es Wohnungen des „männlichen“ Typs (mit Kochschrank), für Frauen die des „weiblichen“ (inklusive Kochnische mit Fenster). Unabhängig vom Geschlecht stand den Bewohnern des „Junggesellenhauses“ zudem ein besonderer Service zur Verfügung: Milch und Brötchen kamen frei Haus – die Lieferanten benutzten die abschließbaren Wandschränkchen im Treppenhaus neben jeder Wohnungstür. Für Geselligkeit sorgte bereits zu Interbau-Zeiten das Restaurant im Erdgeschoss, das schon von Anfang an „Giraffe“ hieß. Hier haben auch schon Romy Schneider, Hans Rosenthal und Jean Marais gefeiert.

Lang und breit

Wohnen heißt auf schwedisch „bo“. Und „Bo“ ist den Schweden sehr wichtig. Der skandinavische Winter ist nämlich lang, kalt und dunkel. Deshalb bauen die Schweden gerne helle Wohnungen. Das „Schwedenhaus“ an der Altonaer Straße zeigt: Vor 50 Jahren war das auch schon so. Die zehngeschossige Gebäudescheibe von Sten Samuelson und seinem aus Deutschland nach Malmö emigrierten Kollegen Fritz Jaenecke beherbergt 68 Wohnungen. Im Zentrum jedes Apartments befindet sich der „Allraum“, das Zimmer, in dem sich in Schweden das Familienleben abspielt. Jede Wohnung hat Fußbodenheizung und dreifach verglaste Fenster. Hinzu kommen Geschäfte und ein Café im Erdgeschoss, Fahrstühle und eine Sauna im neunten Stock – 1957 ein schier unglaublicher Komfort. Sogar für gehobene schwedische Wohnansprüche.

Eva-Maria Träger