Wider die Massenproduktion

Es geht auch ohne Backmischungen: Die „Kleine Konditorei“ in Hamburg-Eimsbüttel beweist, dass das traditionelle Bäckerhandwerk Zukunft hat – der Dominanz von Großbäckerei-Filialen zum Trotz, die mehr und mehr das Stadtbild prägen

VON CLAAS GIESELMANN

Werden Bewohner des Hamburger Stadtteils Eimsbüttel gefragt, wo sie ihre Frühstücksbrötchen holen, sich Kuchen oder auch einfach nur ein Brot kaufen, kommt immer wieder die gleiche Antwort: „Kleine Konditorei“. Dafür stehen die Eimsbüttler gern an manchen Tagen in langen Schlangen vor dem Laden in der Hamburger Osterstraße 176 an. Selbst heute, wochentags zur Mittagszeit, hält das nasskalte Hamburger Wetter die Menschen nicht ab, bis vor die Ladentür zu warten. Hinter der Tür: Eine Glasvitrine voller Kuchen und belegter Brötchen, an der Wand ein Regal mit verschiedenen Brotsorten, in der Ecke ein Kaffeeregal. An den Tischen sitzen Mütter mit Kindern, junge Männer und Rentner, die sich bei Kaffee und Kuchen unterhalten. Fast ist auf den ersten Blick kein Unterschied zu den zahlreichen anderen Bäckerei-Filialen zu erkennen, die die Osterstraße säumen – wäre da nicht die Menschenschlange.

„An Wochenenden ist hier sogar noch mehr los“, sagt Britta Meyer. Gemeinsam mit ihrem Bruder Tjark Meyer betreibt die 48-Jährige die beiden Ladengeschäfte der Kleinen Konditorei als stellvertretende Geschäftsführerin. Trotz zweier Filialen legt man hier aber Wert darauf, keine jener Bäckerei-Ketten zu sein, wie sie das Hamburger Stadtbild sonst dominieren. „Wir setzen nicht auf viele Filialen, das ist nicht unser Konzept“, sagt Meyer. Was das Konzept der Kleinen Konditorei ist, wird nach einem Blick in die Backstube klar: Außer den Backöfen sind hier keine größeren Maschinen in Betrieb, statt fertigen Backmischungen werden Mehlsäcke gestapelt. Zwei Mitarbeiter formen Teig und wälzen ihn in Mohn und Mehl. Backen ist ein Handwerk – und hier wird es auch noch als solches betrieben.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1964 war die Kleine Konditorei ausschließlich in der Lutterothstraße in Hamburg-Eimsbüttel zu finden. Im Mai 2007 wurde dann eine zweite Niederlassung in der Osterstraße eröffnet, nur wenige Minuten von der Ersten entfernt. „Wir mussten das Geschäft und die Backstube einfach entlasten. Die Räume in der alten Filiale waren zu klein, wir kamen in Produktion und Verkauf nicht mehr hinterher“, sagt Britta Meyer. Nun backt man in der Osterstraße Brote und Brötchen, während die Backstube in der Lutterothstraße die Waren für Konditorei und Patisserie liefert. Verkauft werden alle Produkte weiterhin in beiden Filialen, damit die Kunden sich besser auf die Geschäfte verteilen. Doch der dadurch erhoffte Entlastungseffekt blieb weitgehend aus, in den Laden in der Osterstraße kommen nun vor allem neue Kunden.

Und der Bedarf an der traditionellen Backweise scheint auch im Rest Hamburgs noch groß zu sein: „Wir bekommen dauernd Anfragen aus verschiedenen Stadtteilen, ob wir nicht auch dort ein Geschäft eröffnen wollen“, sagt Meyer. „Bei uns steht aber die lokale Kundenbindung im Vordergrund, wir sind ja quasi ein Stück Stadtteilgeschichte.“ Und die Kunden kommen schließlich auch aus anderen Stadtteilen nach Eimsbüttel, um hier einzukaufen. Wie Bettina Schulz aus Niendorf, die einmal wöchentlich mit ihrer Tochter Lara hier ist: „Das ist der beste Bäcker der Stadt, wirklich unvergleichlich.“ Als Studentin wohnte die 38-Jährige noch in Eimsbüttel, ist der Kleinen Konditorei aber auch nach dem Umzug an Hamburgs Stadtrand treu geblieben.

„Die jüngeren Leute ziehen meist nach ein paar Jahren wieder weg“, sagt Britta Meyer. „Eimsbüttel verändert sich ständig, der traditionelle Dorfcharakter verschwindet mehr und mehr.“ Aber trotzdem gebe esnoch viele Alteingesessene, die der Bäckerei schon lange treu sind. „Manche waren hier schon Kunden, als ich noch zur Schule gegangen bin.“ Einer davon ist Curt Maack. Der 79-jährige Eimsbüttler ist seit mehr als 40 Jahren Stammkunde, früher in der Lutterothstraße, heute in der neuen Filiale. „Hier wird halt noch selbst gebacken, das gibt es ja kaum noch. Und es schmeckt alles sehr gut.“ Ob er als Stammkunde immer das gleiche kauft? „Nicht immer. Aber Karottenbrot ist mein Stammbrot.“

Als die Kleine Konditorei von den Eltern von Britta und Tjark Meyer gegründet wurde, gab es noch kein Karottenbrot. Doch Tradition bedeutet nicht zwangsläufig Stillstand: „Manche Produkte sind schon seit Jahrzehnten Dauerbrenner, wie das Holsteiner Schwarzbrot. Aber natürlich testen wir auch ständig neue Rezepte“, sagt Britta Meyer – und wie zum Beweis holt sie eine Tüte mit verschiedenen Broten aus der Backstube. „Probieren Sie mal, die sind gerade im Test.“