Alternativer Mainstream

Die private Alanus-Hochschule kombiniert in einem Modellversuch Waldorfpädagogik und konventionelle Lehrerbildung. Von der neuen akademischen Offenheit profitiert nicht nur das Mangelfach Kunst, sondern auch die Anthroposophie

VON ANSGAR WARNER

Pädagogik-Master plus Waldorf, Staatsexamen plus Steiner: an der privaten Alanus-Hochschule in Alfter geht man seit 2007 neue Wege in der Lehrerbildung. Mittlerweile sind knapp hundert Studierende auf dem kleinen Campus in der Nähe von Bonn dabei, den Spagat zwischen herkömmlichem Studium und alternativen Inhalten zu wagen. In einem bundesweit einmaligen Modellversuch machen angehende Kunstlehrer praktische Erfahrungen sowohl an staatlichen Schulen wie auch an Waldorfschulen. Die Alanus-Hochschule ist damit neben der Hamburger Bucerius Law School und der Universität Witten/Herdecke einer der wenigen Orte in Deutschland, wo man an einer privaten Hochschule einen staatlichen Abschluss erwerben kann.

Das bringt nicht nur neue Impulse für das „Mangelfach“ Kunst, sondern bietet auch für die Kunstschaffenden eine interessante Perspektive, findet Pädagogikdozent Jost Schieren: „Was machen Künstler nach ihrem Studium? Nur etwa drei Prozent können hinterher davon leben. Deswegen ist der Lehrerberuf eine interessante Option. Unser Motto heißt: Den Künstler zum Lehrer bilden.“

Damit wird zugleich die alternative Lehrerbildung professionalisiert. Schieren ist der erste Professor für Waldorfpädagogik in ganz Deutschland. Anderswo ist man da schon weiter: „Montessori-Ansätze oder Peter Petersens Jena-Plan-Didaktik sind in der Lehrerausbildung nicht unbekannt. Für die Waldorfpädagogik gilt das bisher nicht, obgleich sie in der Praxis sehr erfolgreich ist.“

Eine der Studentinnen, die sich an der Alanus-Hochschule auf den Lehrerberuf vorbereiten, ist Charlotte Trossbach. Sie hatte vorab keine Erfahrungen mit Waldorfschulen, doch mittlerweile hat sie das besondere Studienangebot in Alfter schätzen gelernt: „Es ist schön, die zusätzliche Option zu haben, beide Schularten ausprobieren zu können.“ Genauso wichtig findet Trossbach, deren Bilder bereits auf Ausstellungen zu sehen waren, jedoch die Möglichkeit, gleichzeitig Künstler und Lehrer sein zu können. Mittlerweile hat sie im Rahmen des Studiums bereits einige Erfahrungen an Waldorfschulen gesammelt. „Die Schüler dort sind sehr offen und aufgeschlossen, die Lerngruppen kleiner, außerdem ist die Ausstattung einfach besser als an staatlichen Schulen.“

Die naturnahe Umgebung des Uni-Campus trägt zur kreativen Grundstimmung bei: Am Anfang des Hochschulbetriebs stand in den Siebzigerjahren ein umgebauter Gutshof. Mittlerweile herrscht rege Bautätigkeit, doch der Standort hat viel von seinem ursprünglichen Charakter bewahrt.

Doch die Idylle hat auch ihren Preis. Man darf nicht vergessen: Alfter ist eine Privathochschule, die Ausbildung zum Kunstlehrer kostet 280 Euro, pro Monat, versteht sich. Das will erst einmal finanziert sein. Während Charlotte Trossbach hauptsächlich von ihren Eltern unterstützt wird, muss Mira Gerber, eine ihrer Kommilitoninnnen, regelmäßig jobben gehen: „Mit dem Bafög alleine kommen viele Studenten in Alfter nicht über die Runden.“ Dass die Ausbildung in Alfter ihren Preis hat, ist auch Professor Schieren bewusst. „Aber dafür ist es an der Alanus Hochschule möglich und üblich, das Studium tatsächlich in der Regelstudienzeit von neun Semestern abzuschließen. Das entspricht anderswo durchaus nicht der Regel. Einen der begehrten Atelierplätze zu ergattern, ist jedoch auch in Alfter oft nicht leicht. Mira Gerber jedenfalls hatte Glück: Sie arbeitet in einem provisorischen Container. Wichtig findet sie, dass genügend Zeit für die künstlerische Arbeit bleibt: „Als Lehrer sollte man auch künstlerisch etwas zu bieten haben, die Entwicklung der kreativen Fähigkeiten darf nicht aus Zeitgründen auf der Strecke bleiben.“

Mira Gerber, die selbst einmal Waldorfschülerin war, hat noch keine Präferenzen, was ihren zukünftigen Schultyp angeht. Charlotte Trossbach sieht dagegen ihre Zukunft im Moment eher im staatlichen Schulwesen. Doch würde sie sich nach ihren Praktikumserfahrungen zugleich wünschen, im Kunstunterricht eine kreativere Atmosphäre zu schaffen.

Auf neue Impulse für das herkömmliche Schulsystem hofft auch Professor Schieren: „Die staatliche Lehrerausbildung war leider in der Vergangenheit nicht sehr innovationsfreudig. Wir sehen unser Modellstudium als Chance, verstärkt reformpädagogische Ansätze einzubringen.“

Dazulernen könnten jedoch auch die Waldorfschulen: „Die Waldorfpädagogik hat lange Zeit nicht an der Entwicklung in den Erziehungswissenschaften partizipiert, was natürlich auch durch das Misstrauen von der akademischen Seite begünstigt wurde.“ Entwicklung in der Pädagogik bedeute jedoch immer auch den Austausch zwischen verschiedenen Positionen.

Ganz in diesem Sinne pflegt man in Alfter im Fachbereich Bildungswissenschaft Kontakte in beide Richtungen: Man kooperiert mit Erziehungswissenschaftlern anderer Universitäten, genauso aber mit waldorfpädagogischen und anthroposophischen Einrichtungen, wie beispielsweise mit dem Goetheanum in Dornach.

Weitere Infos für BewerberInnen: www.alanus.edu