Teure Restschuld

Ende der Lockvogelangebote: Voraussichtlich ab Ende Oktober diesen Jahres müssen Bankkunden über die wesentlichen Bestandteile jedes Kredits informiert werden. So soll der 800 Milliarden schwere EU-Markt für Kleinkredite bewegt werden

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über Neuregelungen bei den Verbraucherkrediten dient der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie der Europäischen Union. Laut Vorgabe soll diese bis zum 31. Oktober 2009 in deutsches Recht umgesetzt werden. Nach dem Gesetzesentwurf müssen Banken zum Schutz der Verbraucher in Zukunft ihre Kunden vor Vertragsabschluss über alle wichtigen Details des Angebotes informieren. Zudem soll es nun Formulare geben, mit deren Hilfe sich Kreditangebote EU-weit vergleichen lassen. Verlangt die Bank den Abschluss einer Restschuldversicherung, muss sie deren Kosten in den effektiven Jahreszins einbeziehen. Schließlich darf die „Vorfälligkeitsentschädigung“ an die Bank bei vorzeitiger Tilgung nur noch maximal ein Prozent betragen.

VON TILMAN VON ROHDEN

Die Banken haben nicht den besten Ruf. Das hat nicht nur mit der aktuellen Finanzkrise zu tun. Die Geldhäuser stehen seit Jahren in der Kritik, weil sie beim Geldverdienen allzu erfinderisch sind. Zu Lasten der Verbraucher fallen ihnen mit schöner Regelmäßigkeit neue Gebühren oder Produkte ein, denen eins gemein ist: Sie kosten Geld.

In der jüngsten Vergangenheit standen insbesondere die Restschuldversicherungen in der Kritik. Mit diesen Versicherungen sollen Verbraucher, die einen privaten Kredit aufnehmen wollen, sich gegen Tod, Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit absichern. Diese Versicherungen sind recht teuer. Aus einem Effektivzins von 10 Prozent für einen Kredit können so happige 20 Prozent oder mehr werden. Das Ärgerliche: Banken mache eine solche Versicherung oft unter der Hand zur Voraussetzung für die Gewährung eines Kredites und verzichten häufig darauf, diese Kosten im Effektivzins zu berücksichtigen. Verbraucher täuschen sich so leicht über die wahren Belastungen.

Folgt man Manfred Westphal vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, könnte mit dieser Praxis bald Schluss sein. Denn wenn Banken künftig ei-ne Restschuldversicherung nicht im Effektivzins ausweisen, müssen sie nachweisen, dass die Versicherung keine Voraussetzung für den Abschluss eines Kredites war. „Diese Maßnahmen dürfte die aggressiven Strategien zum Verkauf von Restschuldversicherungen beenden.“

Ob es wirklich so kommt, bleibt abzuwarten. Denn das voraussichtlich Ende Oktober 2009 in Kraft tretende Gesetz, das auf Grund einer EU-Richtlinie erforderlich wurde, unterscheidet sich in diesem Punkt gar nicht so sehr von der jetzigen Regelung, die schon die Pflicht kannte, dass Restschuldversicherungen im Effektivzins berücksichtigt werden müssen. Die Banken haben sich daran nur nicht gehalten. Sie trugen regelmäßig vor, die Versicherung sei für den Kredit nicht zwingend notwendig, deshalb müssten diese freiwilligen Zusatzkosten nicht im Effektivzins ausgewiesen werden.

Die kommende gesetzliche Regelung lässt eine solche Argumentation weiterhin zu, sie kehrt nur die Beweislast um: Zukünftig müssen die Kreditinstitute nachweisen, dass eine Restschuldversicherung für einen Kredit nicht zwingend erforderlich war. Es bleibt abzuwarten, ob die Umkehr der Beweislast in der Praxis allein schon für eine Änderung der Kreditvergabe ausreicht. Nicole Maisch, Mitglied der Fraktion der Grünen im Bundestag, bezweifelt dies. Sie findet schon die Grundlage, die EU-Richtlinie, „wenig gelungen“. Sie plädiert dafür, dass es zusätzlich eine angemessene Obergrenze für Restschuldversicherungen geben müsse und dass der zuständigen Bundesbehörde (Bafin) eine Kontrollfunktion übertragen werden müsse.

Dass die kommende Regelung nur bei einer effektiven Kontrolle Wirksamkeit entfalten wird, meint auch Frank-Christian Pauli vom Bundesverband Verbraucherzentralen. Für ihn hängt der Erfolg von einer „rigiden Aufsichtsführung“ ab. Niels Nauhauser, Verbraucherschützer in Baden-Württemberg, bescheidet kurz: „Beweislast hin, Beweislast her: Eigentlich sollte eine Restschuldversicherung immer im Effektivzins eingerechnet sein.“

Ändern werden sich auf jeden Fall die Werbepraktiken der Banken. Denn in Zukunft müssen die angepriesenen Niedrigstkreditzinsen „repräsentativ“ sein. Was das bedeutet, haben sich die EU-Politiker in Großbritannien abgeschaut: Auf zwei Drittel aller Kreditverträge muss die Werbebotschaft zutreffen. „Das Gesetz läutet das Ende der Lockvogelangebote ein“, jubelt deshalb Manfred Westphal: „Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung verantwortliches Kreditgeschäft.“

Künftig soll ein Verbraucher schon vor Abschluss eines Darlehensvertrages über die wesentlichen Bestandteile des Kredits informiert werden, so dass er die Angebote verschiedener Institute vergleichen kann. Damit dies auch EU-weit funktioniert, führen alle Mitgliedstaaten gleiche Informationsblätter ein. So soll der 800 Milliarden Euro schwere EU-Markt für Kleinkredite bewegt werden. Sinnvoll ist dies allemal, denn die Kreditzinsen differieren EU-weit äußerst stark.

Gelten wird die geschilderte Teilharmonisierung laut EU-Vorgabe allerdings nicht für Immobilienkredite, sondern nur für private Verbraucherkredite zwischen 200 und 75.000 Euro.