Ernüchternd geringe Wirkung

FAMILIENRECHT Seit 2007 gibt es das Elterngeld, um Müttern wie Vätern ein zeitweiliges Ausscheiden aus dem Beruf zu ermöglichen. Die Geburtenrate ist aber nicht gestiegen

■ Der Status „alleinerziehend“ ist hierzulande bekanntermaßen einer der großen Armutsrisikofaktoren, von dem vor allem Mütter betroffen sind. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass unterhaltspflichtige Elternteile, meistens die Väter, sich auch an den Kosten für Kindertagesstätten und Kindergarten beteiligen müssen. Diese Aufwendungen seien nicht durch die üblichen Unterhaltsbeiträge nach den Tabellen der Gerichte abgedeckt, hieß es in der Urteilsbegründung. Der BGH änderte damit in einer jetzt bekannt gewordenen Entscheidung seine bisherige Rechtsauffassung. (Az.: XII ZR 65/07)

VON MARKUS WILD

Im April musste Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen Rückzieher machen: Hatte sie zuvor einen Aufwärtstrend bei den Geburtszahlen für das Jahr 2008 vorhergesagt, musste sie nun eingestehen, dass ihre optimistischen Prognosen sich als falsch erwiesen hatten – trotz des neuen Elterngeldes.

Das „Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit“ war am 1. Januar 2007 in Kraft getreten und hatte damit das bisherige Erziehungsgeld abgelöst. Mütter oder Väter erhalten demnach ein Jahr lang 67 Prozent ihres bisherigen Nettoeinkommens, bei einer Spannbreite des Mindestsatzes von 300 Euro bis zur Obergrenze von 1.800 Euro. Erklärtes Ziel war es, Eltern ein zeitweiliges Ausscheiden aus dem Beruf zu ermöglichen, ohne große Einschränkungen bezüglich des Lebensstandards hinnehmen zu müssen. Letztlich sollte dadurch die Geburtenrate erhöht werden – vor allem bei Akademikern. Doch im April vermeldete das Statistische Bundesamt, dass die Geburtenzahl in Deutschland laut vorläufigen Zahlen im Vorjahr bei nur rund 675.000 lag, was etwa 10.000 Neugeborene weniger als 2007 wären.

Bedeutet dieser „Flop der Familienministerin“ ein Scheitern der vollmundig verkündeten „modernen Familienpolitik“? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Zumindest legte das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Anfang Mai eine Studie vor, welche positive Wirkungen des Elterngeldes nachzuweisen versucht – wenn auch nur im kleinen. Das privat finanzierte Institut wies darauf hin, dass es 2008 in Deutschland zwar weniger Nachwuchs gegeben habe, aber gleichzeitig auch die Zahl der Frauen im geburtsfähigen Alter gesunken sei. „Dass die Zahl der Geburten quasi gleich geblieben ist, ist deshalb schon ein kleiner Erfolg“, so die Berliner Forscher.

Interessant seien aber vor allem die regionalen Unterschiede: Während die Kinderzahl in den traditionell kinderreichen, ländlichen Regionen der alten Bundesländer stark zurückgegangen sei, hätten die neuen Bundesländer einen Sprung nach vorn gemacht und damit wenigstens den massiven Geburteneinbruch Mitte der 90er-Jahre überwunden. Noch höhere Geburtenzahlen hätte es in den urbanen Zentren gegeben, wo sich Familie und Beruf besser vereinbaren lassen als anderswo. Denn in den Städten sei die Zahl berufstätiger Frauen höher, und der Ausbau der Ganztagsbetreuung mache größere Fortschritte, heißt es in der Studie, die zu dem Schluss kommt, dass der Ausbau der Kinderbetreuung „dringend geboten“ sei.

Allerdings blieb diese positive Deutung des Effektes des Elterngeldes nicht unwidersprochen. Der Deutsche Arbeitskreis für Familienhilfe kritisierte etwa, dass Familienfreundlichkeit in den Betrieben keinesfalls wie erhofft einen kräftigen Schub erhalten habe. Sogar beim ausschließlichen Blick auf die Geburtenrate falle der Erfolg „ernüchternd gering“ aus, wie die Autoren der Berliner Studie selbst einräumen müssen.

Der Mindestsatz des Elterngeldes müsste auf 600 Euro verdoppelt werden

Vorliegende Daten zeigen für Berlin zumindest einen Erfolg: Laut dem sozialwissenschaftlichen Institut Sowitra, das am neuen Familienbericht des Landes arbeitet, beziehen hier im bundesweiten Vergleich besonders viele Väter das neue Elterngeld – jeder Fünfte, der 2007 Vater wurde, hat Elterngeld beantragt, im deutschen Durchschnitt hingegen nur jeder Siebte. Dabei sind die Berliner Väter relativ arm: Während ein Drittel von ihnen lediglich den Mindestsatz von 300 Euro pro Monat erhielt, war es bundesweit nur jeder Fünfte Elterngeldbezieher.

Stefan Reuyß vom Sowitra-Institut erklärt das damit, dass in Berlin neben großstadttypischen Akademikern und „neuen Vätern“, die meist hochqualifizierte Partnerinnen mit entsprechendem Einkommen haben, eben auch eine große Zahl von Nichterwerbstätigen, Geringverdienern und prekär Beschäftigten Elterngeld beziehen. Und genau diese sind die Verlierer der neuen Regelung, was besonders für Alleinerziehende gilt. Und diese sind auch in Berlin – wie gehabt – vor allem Frauen.

Stefan Reuyß befürwortet deshalb grundsätzlich eine Erhöhung für Geringverdienende, „denn vom neuen Elterngeld profitieren vor allem erwerbstätige Eltern mittlerer und höherer Einkommen“. Väter und Mütter ohne oder mit geringem Einkommen stünden dagegen schlechter da, weil sie im Vergleich zum alten Erziehungsgeld durch die Halbierung der Bezugsdauer von zwei Jahren auf ein Jahr in der Summe weniger Geld erhielten. Sozialverbände fordern aus diesem Grund, dass der Mindestsatz des Elterngeldes auf 600 Euro verdoppelt werden solle.