Die Kosten selbstbestimmten Lebens

MENSCHENRECHTE Die Stadt Hamburg verweigert einer Rollstuhlfahrerin Assistenz und will sie stattdessen im Heim unterbringen. Die klagt dagegen und beruft sich auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen

„Es handelt sich um einen Präzedenzfall. Und um eine drastische Einschränkung“

OLIVER TOLMEIN, ANWALT

von FRIEDERIKE GRÄFF

Es geht um die Abwägung zwischen 7.000 Euro für einen Heimplatz und 22.000 Euro für die Assistenz, die einer 39-jährigen Hamburger Rollstuhlfahrerin mit Pflegebedarf ein eigenständiges Leben ermöglicht. Geht es nach dem Bezirksamt Eimsbüttel, so sind die Mehrkosten unverhältnismäßig.

Geht es nach dem Anwalt Oliver Tolmein von der Kanzlei Menschen und Rechte, der die Frau vor dem Sozialgericht Hamburg vertritt, verstößt die Ablehnung durch die Freie und Hansestadt Hamburg gegen das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Dem ist Deutschland vor kurzem beigetreten.

Artikel 19 dieses Abkommens regelt, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben zu entscheiden, wo und mit wem sie leben. Sie sind dementsprechend nicht verpflichtet, in besonderen Wohnformen zu leben. Demgegenüber argumentiert die Stadt Hamburg, dass Artikel 19 auch nach seiner Umsetzung in deutsches Recht die Auslegung von Sozialrechtsnormen nicht beeinflussen könne, da es sich bei beidem um einfaches Gesetzesrecht und nicht höherrangiges Recht handle. Eine andere Sichtweise, so stellt es zumindest Anwalt Tolmein dar, komme für die Stadt bereits aus Kostengründen nicht in Frage. Eine „Ausgrenzung“ sei durch die Einweisung in ein Heim nicht gegeben, da es sich um eine „geeignete“ Einrichtung handle. „Es handelt sich um einen Präzedenzfall“, sagt Tolmein. Für ihn stellt die von der Stadt geplante Heimeinweisung eine „drastische Einschränkung“ der Selbstbestimmungsrechte seiner Mandantin dar. Das Rechtsamt des Bezirks Eimsbüttel möchte sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern.

Laut Sozialgesetzbuch sind die Mehrkosten für ambulante Pflege dann „unverhältnismäßig“, wenn „die hieraus folgende Mehrbelastung des Sozialhilfehaushaltes zum Gewicht der vom Hilfebedürftigen angeführten Gründe für die von ihm getroffene Wahl der Hilfemaßnahme nicht mehr im rechten Verhältnis steht“. Es betont jedoch, dass für diese Entscheidung keine „starre Kostengrenze im Sinne einer Prozentzahl oder eines absoluten Betrages“ genannt werden könne. Die Abwägung, so will es der Gesetzgeber, müsse immer im Einzelfall getroffen werden.