Der Mann mit dem Masterplan

dm-Chef Götz Werner ist aus den Diskussionen in den Medien über das bedingungslose Grundeinkommen nicht wegzudenken und wird dort zur Leitfigur stilisiert

VON UTE BONGARTZ

Interviews, Berichte, Porträts: Der Unternehmer Götz W. Werner ist der wohl bekannteste und leidenschaftlichste Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Seit der millionenschwere Gründer der Drogeriemarktkette dm vor vier Jahren mit seinem Modell für ein von der Lohnarbeit unabhängiges Einkommen für jeden – egal ob arm oder reich, jung oder alt, gesund oder krank, mit oder ohne Arbeit – an die Öffentlichkeit getreten ist, geht eine Welle der Diskussion durch die Medien.

Auf ein ausführliches Interview mit Götz Werner im Wirtschaftsmagazin brand eins im April 2005 folgt eines in der Stuttgarter Zeitung, der Frankfurter Rundschau und im Stern. 300.000 Euro lässt er sich eine Anzeigenkampagne zu den Vorteilen des BGE kosten, schaltet sie bundesweit in den überregionalen Zeitungen.

Gibt man den Namen „Götz Werner“ und den Begriff „Grundeinkommen“ in der Pressedatenbank Genios ein, kommt man allein auf 496 Treffer. Wobei die Frequenz zwischen 2006 und 2008, im Zenit der öffentlichen Diskussion über das BGE, am höchsten ist. Die Trefferquote quantifiziert Götz Werners hohen Stellenwert in der Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen. Ob Mitteldeutsche Zeitung oder Südkurier, taz, Spiegel, FAZ, Focus, Handelsblatt, Manager Magazin oder SZ, kaum ein Medium lässt Götz Werner aus, wenn es um das BGE geht.

Werner wird wie ein Popstar gefeiert

Und die inhaltlichen Zuschreibungen stehen der quantitativen Präsenz in nichts nach: Wenn über Götz Werner berichtet wird, klingt es wie die wunderbare Geschichte vom „guten Riesen“ (taz), der den Menschen mit Titanenkräften zu einem besseren Leben verhelfen will. Es wird von einem „Mutmacher“ (Berliner Zeitung) und „Menschenveredler“ (Die Welt) geschrieben, vom „Multimillionär, der Deutschland retten will“ (Berliner Kurier), vom „Ja-aber-Kapitalisten“ (Financial Times Deutschland), dem „Träumer“ (Stern), „Wanderprediger“ (Spiegel) und „Guru“ (WDR Online) gar.

Fakt ist, dass die Medien – vom Massenblatt bis zur Fachzeitschrift – übereinstimmend einen Mann zur Leitfigur einer sozialen Bewegung gekürt haben, der nicht für sich, sondern für andere und die höhere Idee durch die Lande zieht: Der Vater von sieben Kindern, verheiratet in zweiter Ehe, besitzt ein Privatvermögen von schätzungsweise einer Milliarde Euro. Werners Erfolg mit der Nummer zwei der Drogeriemarktbranche – über 1.000 Filialen und fast 30.000 Mitarbeiter deutschlandweit – verschafft ihm Glaubwürdigkeit. Man hört Götz Werner zu, statt ihn als Spinner abzustempeln, auch wenn seine Ideen „so realistisch klingen, als würde man eine Siedlung auf dem Mond errichten“ (taz). Linke, liberale und konservative Politiker diskutieren sein Modell. Sogar der Rat der Wirtschaftsweisen hat das BGE in Götz Werners Zuschnitt schon eingehend überprüft.

Er selbst sieht darin die Chance zum Paradigmenwechsel: Von der Einführung eines monatlichen Grundeinkommens von 1.500 Euro, finanziert durch eine sukzessive Erhöhung der Konsumsteuer bis auf 50 Prozent bei gleichzeitiger Abschaffung aller anderen Steuern, verspricht sich Götz Werner einen gesellschaftlichen Wandel, den er als Kulturwandel versteht. Der Denkfehler der Politik liegt laut Werner darin, Arbeitslosigkeit überhaupt noch bekämpfen zu wollen, statt sie als Faktum hinzunehmen. Rationalisierung und Fortschritt, Automatisierung und Digitalisierung ersetzen den alten Arbeitsbegriff, den Kampf um Vollbeschäftigung. Maschinenarbeit ermöglicht es der Gesellschaft, in eine neue Dimension einzutreten. Mit dieser Ansicht steht Götz Werner nicht allein. Für den Soziologen Ulrich Beck beispielsweise ist „Arbeitslosigkeit keine Niederlage, sondern ein Sieg“.

In Werners Buch „Einkommen für alle“ (2007) – weniger ein Sachbuch als ein idealistisches Plädoyer für den Glauben an den guten Menschen und eine bessere Zukunft – stellt er die einfache und zugleich radikale Formel von einer „neuen Arbeit“ auf, die das BGE ermöglichen soll: BGE gleich Befreiung vom Zwang zur Arbeit, gleich kreativer Freiraum jedes Einzelnen, Selbstverantwortung und die Möglichkeit „für die Arbeit am Menschen, für die Kulturarbeit.“ Dies ist eine Arbeit, die durch die Einführung des BGE nicht bezahlt werden muss, die außerhalb rein ökonomischer Kalkulation steht: „Bildung, Sozialarbeit, Kunst.“

Sozial engagiert schon als Unternehmer mit Herz

Götz Werner hat von der Unternehmerseite auf die Kulturseite gewechselt. Er umarmt seine Gegner und lässt sich auf Zahlenkalkulationen zur Machbarkeit seiner Vision nicht ein. „Wer will, findet Wege – wer nicht will, findet Gründe.“ Götz Werner ist ein lebendes Paradoxon, bei dem, wie der Grünen-Politiker Boris Palmer treffend bemerkt, „die Mischung aus Milliardär und Marx fasziniert“. Tatsächlich verfolgt Werner mit seinen Ideen zum BGE die gleiche Strategie des sozial Engagierten, die er auch als Unternehmer in seinem Handelskonzern verfolgt hat und die er heute als Professor am Institut für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe seinen Studenten vermittelt.

Er wendet sich ab vom festgezurrten Bild des Homo oeconomicus und dem allumfassenden Grundsatz unseres Wirtschaftssystems. Statt der Vorgabe der nach rein persönlichem Gewinn strebenden Profitgier zu folgen, stellt Götz Werner den Ansatz des „Füreinanderleistens“ in den Vordergrund. Es handelt sich um ein Prinzip, das er von dem Anthroposophen Rudolf Steiner übernommen hat. Werners Motto „Unternimm dich selbst – unternimm für andere – unternimm die Zukunft“, das ihn zum Modell des BGE gebracht hat, ist Teil einer Weltanschauung, einer spirituellen. Sie hat ihn zum Milliardär gemacht.