Kein Tier, nirgends

Vegane Cafés und Restaurants haben die Außenseiternische verlassen. Das Prinzip Genuss steht im Vordergrund. Das gilt für den Imbiss ebenso wie für das Etablissement mit weiß gedeckten Tischen unter Kronleuchtern

Den Eingang vom Hans Wurst zieren Würstchen aus Papier, drinnen kleben die kleinen prallen Dinger auf der Diskokugel, die von der Decke baumelt. Hans Wurst ist keine Fleischerei, sondern ein Café, eines dieser Wohnzimmer-Retromöbel-Etablissements, wie es sie derzeit zuhauf gibt, zumindest im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Wer hier einkehrt, will surfen (W-LAN), Freunde treffen oder arbeiten, ganz normal halt.

Spätestens beim Milchkaffee wird der Neuling jedoch stutzig. Der Schaum schmeckt süßlich, anders irgendwie, und tatsächlich – das Vorwort der Speisekarte weist darauf hin, was hier anders ist. Das Hans Wurst verzichtet auf tierische Lebensmittel, das heißt: kein Fleisch, keine Milch und Eier. Im Kaffee ist Sojamilch.

Wie Besitzer Michael Ristock auf die Idee kam, ein veganes Café zu eröffnen? „Ich habe nach einer Perspektive gesucht“, antwortet er verlegen. Da kam ihm seine vegane Lebensweise, die er schon lange praktiziert, in den Sinn. „Die meisten denken, dass vegan leben was Besonderes ist“, vermutet Ristock. „Aber für mich ist das ganz normal und für viele andere auch“. Deshalb fehlt am Eingang zum Hans Wurst auch der Hinweis auf die vegane Ausrichtung. Gäste sollen sich in erster Linie wohlfühlen und nicht bekehrt werden.

Vegane Cafés und Restaurants gibt es nicht all zu viele in Deutschland, doch der Marktanteil wächst. Lokale wie das Café Craftista in Köln, das Restaurant Sehnsuchtsküche in Mühlacker-Dürrmenz oder der Imbiss Vegi-Voodoo King in Stuttgart haben ihre Stammkundschaft. Die Zutaten der tierfreien Küche sind in der Regel von Bioqualität und meistens fair gehandelt. Und nicht zu vergessen: Die Gastronomen wollen, dass es ihren Gästen gut schmeckt – ein Fakt, der in der bratlinglastigen Bioküche jahrelang keine allzu große Rolle spielte.

Seit 2008 erregt in München das Saf (Simple Authentic Food) Aufsehen, ein Restaurant mit Gourmetkoch und schicken Interieur. Hier wird nicht nur vegan gekocht, sondern auf Rohkost Wert gelegt, die auf höchstens 48 Grad erwärmt wird, damit Enzyme erhalten bleiben. Das Blumenkohl-Risotto besteht aus gebratener Salbeipolenta, Trüffel-Knoblauchöl, Shitake-Tempura und Petersilienöl. Chefkoch Ched Sarno verwendet aber auch ungewöhnliche Zutaten wie beispielsweise Flachs, angeblich der beste pflanzliche Lieferant lebenswichtiger Omega-3-Fettsäuren, oder Pinienkern-Parmesan –ein milchfreier Käse aus Pinienkernen. Sogenanntes Vitamineral Green steht ebenfalls auf der Küchenliste: Das sind geballte Vitamine, Mineralien und Enzyme, die aus rund fünfzig Nahrungsmitteln gewonnen werden, die einen ganz besonders hohen Anteil an Nährstoffen aufweisen (Sprossen, Weizengras, Algen).

Das Konzept der Saf-Küche stammt aus den Vereinigten Staaten, wo es schon länger eine Genuss orientierte Veganerszene gibt. Keine Ausbeutung von Tieren, aber Essen mit Stil – das fordern im Land der Steaks auch Prominente wie etwa Natalie Portman, Prince oder Brian Adams. Auch bei der Wahl von Kosmetik und Shampoo achten sie darauf, dass keine Tierversuche mit im Spiel sind. Ganz besonders konsequente Veganer verzichten außerdem auf Lederschuhe, Schafwolle und Tierfelle aller Art. La Mano Verde, das Ende 2008 in Berlin seine Pforten öffnete, verfolgt ein ähnliches Konzept wie das Saf in München. Serviert werden an weiß eingedeckten Tischen unter Kronleuchtern Champignon-Ravioli, Sushi oder Thai-Curry, alles vegan. Wer hierherkommt, hat in der Regel einen Job in der Nähe und isst gesund zu Mittag oder verabredet sich mit Freunden, um zu testen, ob tierlose Kost schmeckt. Die meisten Besucher sind zufrieden, wenngleich der Vergleich mit Fleisch hinkt. Vegane Weißwurst oder Burger werden niemals wie das Original schmecken, wenn man vorher weiß, was drin ist.

Dennoch gibt es mit Vöner & Wagenburger, Yellow Sunshine sowie Yoyo Foodworld gleich drei Imbisse in Berlin, die sich darauf spezialisiert haben, Döner, Wraps und Burger fleisch-, milch- und eifrei zu kreieren. Die Publikum, das hier einkehrt, ist zwischen 25 und 40 Jahre alt und fühlt sich in der Regel der Alternativszene zugehörig. Darunter sind auch viele internationale Touristen, ideale Multiplikatoren, um die vegane Idee in die Welt hinauszutragen. Wenn denn die Sprachkenntnisse reichen, um die Speisekarte zu lesen und den Unterschied zu bemerken.

CHRISTINE BERGER

Hans Wurst: Dunckerstr. 2a, Berlin (Prenzlauer Berg); Tel. (0 30) 41 71 78 22; Di.–Do. 12–24, Fr., Sa. ab 12, So. 11–24 Uhr Saf: Ledererstraße 3, München, (0 89) 23 23 91 91, www.safrestaurant.de La Mano Verde: Wiesbadener Str. 79, Berlin (Friedenau), Tel. (0 30) 82 70 31 20, www.lamanoverde.de, täglich 11.30–23.30 Uhr Vöner & Wagenburger: Boxhagener Str. 56, Berlin (Friedrichshain), Tel. (0 30) 99 26 54 23, www.voe ner.de, Mo.–Fr .12–22.30 Uhr, Sa., So. 14–22.30 Uhr Yoyo Foodworld: Gärtnerstr. 27, Berlin (Friedrichshain), tgl. 12–24 Uhr Yellow Sunshine: So.–Do. 12–24, Fr.–Sa. 12–1 Uhr, Wiener Str. 19 Berlin (Kreuzberg), Tel. (0 30) 69 59 87 20, www.yellow-sunshine.de