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Wieso sich noch selbst erfinden, wenn der Staat fürs schiere Dasein bezahlt? Und was tun die, die mehr brauchen, aber nicht arbeiten können? Einige Fragen zum Thema Grundeinkommen und Freiheit

VON LINDA WAITZ

Wie würde sich Ihr Leben ändern, wenn Ihnen jemand jeden Monat den Betrag von beispielsweise 800 Euro geben würde? Einfach so, steuerfrei? Dafür gäbe es keine Sozialhilfe mehr, kein Wohngeld und kein Bafög. Der Betrag wäre der Sockel des Einkommens, der Verdienst der Arbeit käme obendrauf.

Dass das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ein Allheilmittel ist, behaupten noch nicht einmal seine Befürworter. Aber es könnte ein Weg sein von der Dienstleistungsgesellschaft in die Kulturgesellschaft. Jeder könnte das machen, was er kann, und nicht das, was er muss. Klingt utopisch. Es gäbe plötzlich die Freiheit, sich um die kranken Eltern zu kümmern, um seine Kinder. Ehrenamtliche Arbeit wäre durch das BGE grundfinanziert. Das Grundeinkommen als Impuls, sich in einer Gesellschaft anders zurechtzufinden. Der Weg wird nicht mehr nur durch Schule, Arbeit oder Jobagentur bestimmt, sondern führt dahin, wo man hinwill. Das bringt natürlich Verantwortung mit sich: vollkommene Selbstbestimmung in der völligen Fremdversorgung.

Den 16-Jährigen von heute ist klar, weswegen sie zur Schule gehen. Sie wollen nicht von Sozialhilfe leben, nicht auf dem Abstellgleis landen. Was aber, wenn das erste Einkommen nicht durch Arbeit kommt, sondern einfach nur, weil man da ist? Wo bleibt da die Motivation?

Der Psychoanalytiker Erich Fromm schrieb 1966 in seinem Essay „Psychologische Aspekte“: „Ein garantiertes Einkommen, das im Zeitalter des wirtschaftlichen Überflusses möglich wird, könnte zum ersten Mal den Menschen von der Drohung des Hungertods befreien und ihn auf diese Weise von wirtschaftlicher Bedrohung wahrhaft frei und unabhängig machen.“ Eine Psychologie des Überflusses, heißt es weiter, würde Initiative, Glauben an das Leben und Solidarität erzeugen. Als Konsequenz für jeden Einzelnen, der nicht mehr gezwungen ist, zu arbeiten oder sich von einer Behörde herumschicken zu lassen, beschreibt er zwei Szenarien: „Wenn er [der Mensch] nicht mehr ausschließlich von seiner Arbeit in Anspruch genommen ist, wird es ihm entweder freistehen, sich ernsthaft mit diesen Problemen auseinanderzusetzen, oder er wird aus unmittelbarer oder kompensierter Langeweile halb verrückt werden.“

Fromms Theorie wird von dem Soziologen Ulrich Oevermann bestätigt, der die Sinnfrage für jeden Menschen stellt. Die Welt setzt ein Bewusstsein der Endlichkeit des Lebens voraus, wonach sich der Lebenssinn und Hoffnung einstellt, sein Leben positiv gestalten zu können. Wenn es sich also ein Mensch den Rest seines Lebens vor dem Fernseher gemütlich machen sollte, wird er bald in eine Sinnkrise stürzen.

Ganz ohne Bedingungen?

Zudem sind wir nicht allein auf der Welt. Die Frage, was passieren würde, wenn Deutschland das bedingungslose Grundeinkommen einführen würde, zieht weitere Fragen nach sich: Wie soll ein globalisiertes Land hier allein vorgehen können? Ist Migration im System vorgesehen? Wird der Staat mehr Macht haben oder weniger? Was ist mit den Kranken und Behinderten, für deren Versorgung das Grundeinkommen nicht reicht, die sich aber nichts dazuverdienen können? Wie finanziert sich die Krankenversicherung? Noch gilt das bedingungslose Grundeinkommen als Utopie, aber schon wird Kritik laut.

Politiker vor allem der FDP wehren sich gegen die „Bedingungslosigkeit“ und fragen, warum auch ein Millionär 800 Euro vom Staat bekommen sollte. Die Antwort: Der Bedingungslosigkeit wegen! Natürlich müsste man eine Einführung des BGE gut planen. Fatal wäre es, die Stufen dorthin zu niedrig anzusetzen, wie die Schweizer Daniel Häni und Enno Schmidt meinen, die einen Film über das Grundeinkommen als Kulturimpuls gedreht haben. Wenn die Idee missbraucht würde, indem man das Einkommen zu tief ansetzte, trotzdem alle Sozialleistungen striche und die Zahlung an Bedingungen knüpfte, würde das die Lage schwieriger machen, als sie jetzt schon ist.

Wie also kann man vorgehen, die jetzige Situation zu verbessern? Mit welchen Mitteln könnte das Geld umverteilt werden? Unklar sind die Risiken und Nebenwirkungen. Thomas Hörber, Politikwissenschaftler, hat sich mit zwei Modellen beschäftigt:

Das erste Modell heißt: negative Einkommensteuer oder progressive Einkommensteuer. Hierbei handelt es sich nicht um ein Grundeinkommen, sondern um eine Umverteilung des Geldes. Der Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman führte das Modell 1968 teilweise in den USA ein. Das Einkommen der Besserverdiener wird stärker besteuert, um dann einen Teil an Bedürftige weiterzuleiten. Da die Erwerbstätigkeit besteuert wird, haben wir das jetzige System des Sozialstaats. Bei höheren Steuern bleibt wiederum weniger vom Einkommen. Das Modell ist alles andere als bedingungslos.

Dagegen steht das Modell der erhöhten Mehrwertsteuer. Auf ihr basiert die Finanzierung eines BGE. Die Einkommensteuer wird abgeschafft, um so die Lohnnebenkosten einzusparen, die zurzeit in die Produktpreise mit einfließen. Mehrwertsteuer könnte in diesem Fall auch Konsumsteuer heißen. Die Bürger würden zunehmend zum Kaufen animiert, um die Steuern einzutreiben, damit der Konsum konstant bleibt. Eine Entwicklung der Einkommen zieht unweigerlich die Entwicklung der Preise nach sich.

Wenn nun alle Konsumgüter mit einer Steuer belegt wären, die das soziale Netz für jeden halten soll, würde eine Tasse Kaffee doppelt so viel kosten wie heute? Wenn die Konsumsteuer auf etwa 50 Prozent angehoben werden soll, was müsste für Grundnahrungsmittel, Bücher oder Kleidung ausgegeben werden? Es scheint, als würde sich für Geringverdiener die wirtschaftliche Lage nicht ändern. Sie würden das System am Laufen halten, da sie von ihrem Grundeinkommen die Steuern bezahlen, die sie als Steuerfreibetrag eigentlich zur Verfügung haben sollten. Die Leute, die mehr verdienen als den Steuerfreibetrag, haben genug Geld, um zu konsumieren und zu sparen.

Die Frage, was passiert, wenn das BGE eingeführt wäre, verschwindet nicht einfach, wenn die Finanzierung als durchführbar gilt. Es handelt sich jedoch um eine Idee. Der Weg könnte so aussehen: zuerst die von der Konrad-Adenauer-Stiftung berechneten 750 Euro einführen, nicht sofort alle Sozialleistungen streichen, die Gewerbesteuer erhalten und Jahr für Jahr an dem Ideal Grundeinkommen arbeiten. Dann können alle Menschen mit dem Modell mitwachsen.