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WIRTSCHAFT NEU DENKEN Ganzheitliche BWL lehrt die private Alanus Hochschule in Alfter. Die Eintrittskarte zur sozialen Marktwirtschaft mit anthroposophischem Mehrwert kann sich allerdings nicht jeder leisten

„Es geht um größere Zusammenhänge, nicht nur um das kurzfristig Gedachte“

VON DENNY CARL

In Alfter, einer Kleinstadt bei Bonn, steht ein Schloss aus der Staufferzeit. Hier werden bereits seit 1973 junge Menschen auf ihre berufliche Zukunft vorbereitet – nach anthroposophischen Konzepten. Die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, eine staatlich anerkannte, private Einrichtung, lehrt vor allem klassische Fächer wie bildende Kunst, Schauspielerei und Architektur im Sinne Rudolf Steiners.

Ein Fach wie Betriebswirtschaftslehre würden hier sicher wenige vermuten. Doch seit 2006 versucht die Waldorf-Universität mit einem Bachelor-Studiengang zu zeigen, dass auch Wirtschaft ganzheitlich gelehrt und unter menschlichen Gesichtspunkten funktionieren kann. Seit Januar ergänzt ein berufsbegleitender Master-Studiengang das wirtschaftswissenschaftliche Angebot der Hochschule. Beide stehen unter dem Motto „Wirtschaft neu denken“. Das muss man wohl auch, schließlich gehört zu den Grundpfeilern der Anthroposophie Rudolf Steiners Prinzip der „Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben“.

„Nachhaltiges und sozial verantwortliches Wirtschaften steht im Mittelpunkt“, benennt BWL-Professor Lars Petersen einen der Hauptunterschiede zum herkömmlichen BWL-Studium. „Die althergebrachten Modelle sollen nicht unkritisch konsumiert werden“, so der Leiter des noch jungen Fachbereichs.

Um diesen Anspruch umzusetzen, blickt das Curriculum über den Tellerrand hinaus. „Der interdisziplinäre Ansatz ermöglicht ganz neue Blickwinkel“, berichtet Marianne Vogt, die BWL an der Alanus Hochschule im 5. Semester studiert und den Bachelor anstrebt. Für sie sind nackte Zahlen im Geschäftsleben nicht alles: „Es geht um Zusammenhänge, nicht nur um das Offensichtliche und das kurzfristig Gedachte. Im sozialen Miteinander helfen mir rein betriebswirtschaftliche Fähigkeiten nämlich nicht weiter.“ Der Studiengang steht zudem keinesfalls im Widerspruch zur ursprünglichen Ausrichtung der Hochschule. „BWL ist für uns nicht nur Fachwissenschaft, sondern auch kunstpraktische Betätigung, die Offenheit für Neues, die Kreativität und Mut für Problemlösungen schaffen soll“, so Petersen. Allerdings steht dabei nicht das perfekte Ergebnis im Mittelpunkt. „Bei den künstlerischen Aktivitäten geht es vor allem um die Erfahrungen, die man dabei macht“, fasst Vogts Kommilitone Dimitri Eisenmeier die Ziele von Elementen wie Bildhauerei, Improvisationstheater oder Eurythmie zusammen. Die praktische Umsetzung des Gelernten in Partnerunternehmen wie dm, Alnatura oder tegut ist mit 20 Wochen pro Studienjahr ein wichtiger Baustein im Bachelor-Studiengang. „Die Arbeit in den Praxisunternehmen macht uns immer wieder das Spannungsfeld zwischen Ideal und Realität bewusst“, so Marianne Vogt.

Um in den Genuss dieser Besonderheiten in einem BWL-Bachelor-Studium zu gelangen, muss man sich bewerben. Gute Zeugnisnoten sind nicht obligatorisch, wichtig aber sind ein überzeugendes Motivationsschreiben, ein Vortrag zu einem wirtschaftswissenschaftlichen Thema sowie ein Praktikumsplatz bei einem der Partnerunternehmen.

Reiche Eltern sind wie meist im Leben auch in Alfter kein Hindernis. Ganz im Gegenteil, die monatliche Studiengebühr von bis zu 800 Euro ist schließlich kein Pappenstiel. Zum Vergleich: Ein reguläres BWL-Studium in NRW schlägt mit 500 Euro zu Buche – pro Semester.

Stipendien, zinsloses Darlehen und eine Vergütung für die Arbeit im Praxisunternehmen können jedoch die Kosten senken. Wer vorher bereits auf einer Waldorfschule war, der wird wohl wissen, dass Ganzheitlichkeit oft auch das ganze Portemonnaie fordert.

Trotzdem werden die 30 bis 40 Studienplätze immer begehrter; von fünf Bewerbern pro Studienplatz kann ausgegangen werden. Petersen sieht einen Grund dafür in der aktuellen Reformdebatte: „Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise verzeichnen wir einen stärkeren Zulauf. Offenbar glauben immer mehr zukünftige Wirtschaftslenker, dass die Ökonomie wieder dem Menschen dienen muss. So sieht es auch Marianne Vogt: „Angesichts der aktuellen Probleme müssen wir uns auf das Ursprüngliche zurückbesinnen.“