Wo geht‘s denn hier zum Silver Sex?

TAZPLAN Ausgewählte Programmhinweise der taz für Kirchentagsbesucher und ihre Gegner

VON KARIN SCHÄDLER

WORTE
Predigt von Promis

Man darf gespannt sein, wie der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen mit Bibelstellen umgeht. Ganz seriös oder doch ein bisschen witzig? Er gehört zu den zahlreichen prominenten theologischen Laien und Religionsprofis, die beim diesjährigen Ökumenischen Kirchentag eine Bibelarbeit leiten werden. Am Donnerstag, Freitag und Samstag ist ihnen jeweils der Zeitraum von 9.30 bis 10.30 Uhr gewidmet.

Donnerstag: Frère Richard aus der Taizé-Bruderschaft, Olympia-Eisstadion, Olympiapark. Bascha Mika, ehemalige taz-Chefredakteurin, Halle B1 (Nord), Messegelände. Dialog-Bibelarbeit mit Bischof Martin Hein und der Islamwissenschaftlerin Ayse Basol-Gürdal, Gasteig, Philharmonie, Rosenheimer Straße 5. Kabarettist Eckart von Hirschhausen, Halle B3, Messegelände.

Freitag: Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt und Bundesumweltminister Norbert Röttgen, Halle A3, Messegelände. Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Halle C2, Messegelände. Dialog-Bibelarbeit mit der Rabbinerin Dalia Marx und der Theologin Susanne Sandherr, ICM, Saal 1, Messegelände. Samstag: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, ICM, Saal 1, Messegelände. Regisseur Christoph Schlingensief, Olympia-Eisstadion, Trainingshalle, Olympiapark.

GLOBALISIERUNG
Begrenzte Demokratie

Wenn Menschen sich „entnationalisieren“, besitzen sie starke andere Überzeugungen. Dieser Auffassung ist die bekannte Globalisierungsforscherin Saskia Sassen und nennt als Beispiel Menschenrechtsaktivisten, die in jedem Land immer wieder für dieselbe Sache kämpfen. Aber die Veranstaltung unter dem Titel „Globale Welt ohne globale Ordnung. Lässt sich Globalisierung demokratisch gestalten?“ wirft nicht nur die Frage nach der staatsbürgerlichen Identität auf.

Sassen meint, die Globalisierung verändere nicht nur die Beziehungen zwischen Staaten und Völkern, sondern sie transformiere den Staat auch in seinem Inneren. Und selbst wenn in dieser Folge globale Formen der Zusammenarbeit entstehen: Der Nationalstaat als die „komplexeste Struktur, die wir in der Geschichte geschaffen haben“, so Sassen, wird wohl erhalten bleiben.

Doch wo und inwiefern gibt es in der Gegenwart Demokratiedefizite? Und wie kann man versuchen, sie zu beheben? Darüber diskutieren nach einem Impulsvortrag von Saskia Sassen der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof, die Europa-Direktorin von Human Rights Watch, Lotte Leicht, und der Politikwissenschaftler Michael Zürn von der Hertie School of Gouvernance in Berlin.

Donnerstag, 14 Uhr, Vortrag und Podiumsdiskussion, Halle A4 (Süd), Messegelände

GESELLSCHAFT
Jenseits des Treppenlifts

Es ist eine erfreuliche Nachricht, die der Foto-Künstler Stefan Arend mittels einer Ausstellung den Besuchern des Ökumenischen Kirchentags überbringt: Senioren sind zumindest medial mittlerweile überall präsent. Sie dürfen heutzutage nicht mehr nur den Lifta-Treffenlift oder die „dritten“ Zähne von Kukident bewerben, sondern kommen in der Werbung bei allen möglichen Produkten vor. Sogar für die Internetplattform eBay darf ein älterer Herr werben.

Aber sind Seniorinnen und Senioren auch jenseits der Werbewelt der gesellschaftlichen Nische entkomen? Werden sie endlich als immer noch vielseitige, teilhabende und auch sexuelle Wesen anerkannt? Das darf zumindest in Bezug auf den „Silver Sex“ bezweifelt werden, wie nicht zuletzt die Debatte über den Liebesfilm „Wolke 9“ von Andreas Dresen wieder einmal gezeigt hatte.

Stefan Arend beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit der Frage des Alterns. Die Ausstellung mit dem Namen „Senioren, Oldies, Silver Sex und Golden Ager“ liefert eine mögliche Antwort. Eine Podiumsdiskussion zum Thema sucht nach weiteren Löungsansätzen. Das musikalische Programm hält sich dabei allerdings im gewohnten Rahmen: Es spielt der Posaunenchor Genkingen.

Donnerstag, 11 Uhr, Podiumsdiskussion. 11 bis 17.30 Uhr, Ausstellung, Halle B1 (Nord), Messegelände

GLAUBE
Christen in Nahost

Wenn der Papst das Westjordanland besucht, ruft er wieder in die Erinnerung der Weltöffentlichkeit, dass auch Christen von der israelischen Besatzung direkt betroffen sind, und mahnt in dezenten Worten eine Verbesserung an. Etwa 80.000 palästinensische Christen leben im Westjordanland und im Gaza-Streifen.

Das Schicksal der Christen im Irak ist hier stärker präsent. Denn einige von ihnen leben mittlerweile als Flüchtlinge in Deutschland. Viele Christen wandern aus dem Nahen Osten aus, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Unter dem Titel „Christen im Nahen Osten – fast 2.000 Jahre Christentum vor dem Aus?“ wird das Thema auf dem Kirchentag diskutiert.

Sumaya Farhat-Naser aus Birzeit im Westjordanland ist Friedensaktivistin, Feministin und Buchautorin. Mit ihr diskutieren Johannes Friedrich, der Bayerische Landesbischof und Nahostbeauftragte der Evangelischen Kirche, Assaad Elias Kattan, Theologe von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, und Emanuel Youkhana, der Leiter eines christlichen Hilfsprogramms für den Irak.

Donnerstag, 14 Uhr, Podiumsdiskussion in St. Markus, Gabelsbergerstraße 6

DIE ANDEREN
Demo für Heidenspaß

Wer genervt ist von all den Gläubigen, ihren Liedern und ihrer Welt, kann es ja mal bei der Gegenseite probieren. Sie laden für Donnerstag zur „frohen Prozession“ – ein absolutes Kontrastprogramm zum Ökumenischen Kirchentag. Atheisten, Konfessionslose und Kirchenkritiker rufen zu einer Demonstration auf, die zeigen soll, dass „ein fröhliches Leben unabhängig von Religion und Kirche möglich ist“.

Unter anderem der Bund für Geistesfreiheit, die Giordano Bruno Stiftung und der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten veranstalten während des Kirchentags eine Art Gegenkongress, die „Religionsfreie Zone“, mit Demo und Vorträgen. An polemischer Kritik wird es nicht fehlen. Schließlich sehen die Kritiker sich als Alternative zu „klerikalem Muff“ und „weihrauchvernebelter Doppelmoral“.

Nach der „Prozession“ ist eine Abschlusskundgebung („frohe Verkündung“) mit Musik geplant. Alles frei nach dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“. Und wer das alles auch noch als pädagogischen Auftrag versteht, sollte sich folgenden Termin merken: Am Freitag liest Deutschlands „Chef-Atheist“, der Trierer Philosoph Michael Schmidt-Salomon, aus seinen religionskritischen Kinderbüchern.

Donnerstag, 13 Uhr, Prozession ab Geschwister-Scholl-Platz. 16 Uhr, Abschlusskundgebung, Gärtnerplatz. Freitag, 18 Uhr, Lesung, Räume der Initiativgruppe, Karlstraße 48