Mensch, Marta!

MARTA Die vom Publikum erwartete Gala blieb aus. Gegen Australien lieferte sie wie das ganze brasilianische Team einen enttäuschenden Auftritt ab. Und doch wird sie der Star der WM bleiben

AUS MÖNCHENGLADBACH JOHANNES KOPP

Schon bei der Vorstellung der Mannschaften wird deutlich, was das Publikum an diesem Mittwochabend im Borussia-Park von Mönchengladbach erwartet: Die Aufstellung der australischen Mannschaft nehmen die 27.300 Zuschauer mehr oder minder schweigend zur Kenntnis, die Namen der Brasilianerinnen ebenso. Dann aber, als der Stadionsprecher zur Nummer zehn kommt, brandet so plötzlich wie stürmisch Applaus auf. Die Nummer zehn, das ist Marta. Und dieser Abend soll zur großen Marta-Show werden.

Doch die fällt komplett aus. „Sie hat nicht einmal auf unser Tor geschossen“, bilanziert Kanadas Trainer Tom Sermanni hinterher zufrieden.

Tatsächlich hatte seine Mannschaft die fünfmalige Weltfußballerin erfolgreich aus dem Spiel genommen. Marta, die zentrale Figur des brasilianischen Teams, wirkte wie ein Fremdkörper auf dem Platz. Nicht nur, weil sie die Bindung zu ihren Mitspielerinnen verlor, sondern weil sie sich mit ihrem Gestus immer weiter vom Team zu entfernen schien. Fast pausenlos schimpfte sie über ihre Mitspielerinnen. Immer wenn ein Zuspiel sie mal wieder nicht erreichte, hob sie enttäuscht die Arme oder schlug theatralisch die Hände vors Gesicht.

So schlüpfte sie in die Rolle der enttäuschten Spielertrainerin, die sich über die Unfähigkeit ihrer Schützlinge erboste. Ihre per Körpersprache vorgetragene Botschaft lautete: „An mir liegt es nicht.“

Dennoch muss man sich um den Teamgeist der Südamerikanerinnen keine Sorgen machen. Als der Auftaktsieg gesichert war und sich die Brasilianerinnen dann mit Sambatrommeln ausgerüstet singend und tanzend durch den Medienkorridor bewegten, führte Marta die Gruppe mit einer Triangel an.

Alles war wieder gut, Martas Zorn war verflogen. Sie lachte nur noch. Eine brasilianische Journalistin erklärt, dass sowieso niemand im Kader die Autorität von Marta in Frage stellen würde: „Alle schauen zu ihr auf. Sie braucht nur den Mund aufzumachen, dann ist es still.“

Rosana? Welche Rosana?

Marta kann sich auf dem Spielfeld scheinbar alles erlauben. Jenseits des Rasens ist sie eher eine milde Herrscherin. Die vielen Fehler ihres Teams waren ihr kein Wort mehr wert: „Wir haben gewusst, dass das erste Spiel schwierig wird. Endlich ist es losgegangen. Wir haben so lange darauf hingearbeitet“, sagte sie.

Wenn die Brasilianerinnen weiter so konzept- und zusammenhangslos spielen, wird dieses Turnier für Marta schwierig bleiben. Und ihr Ziel, endlich mit Brasilien Weltmeisterin zu werden, scheint eher weiter in die Ferne gerückt zu sein. Dennoch ist klar: Unabhängig von ihren Leistungen wird das öffentliche Interesse bei dieser WM auf sie gerichtet bleiben.

Während Rosana, die Torschützin und Spielerin des Spiels, in der Interviewzone mit zwei Journalisten ein Art Privatgespräch führte, bildete sich um Marta eine große Traube von Reportern. Für Marta ist dies zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Durch ihr eher misslungenes Debüt bei der WM wird sie sich vermutlich nicht so schnell verunsichern lassen. Sie sagt: „Es ist schön, dass mir hier solche Anerkennung zuteilwird.“

Zweifel, dass dies möglicherweise etwas unangemessen sein könnte, hat sie nicht. „Wenn ich spiele, haben die anderen dadurch mehr Platz. Ich bin froh, dass ich meinen Beitrag zu unserem Sieg leisten konnte.“

So betrachtet, kann Marta bei dieser Weltmeisterschaft nicht viel falsch machen. Aber sie weiß wohl, dass die Menschen, die vor allem ihretwegen in die Stadien kommen, mehr erwarten. Und nicht nur die: Die Übertragung des ZDF verfolgten durchschnittlich 5,40 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 25,3 Prozent), der bislang höchste Wert für ein Spiel ohne deutsche Beteiligung.

Brasilien: Andreia – Aline, Daiane, Erika – Fabiana, Formiga (84. Francielle), Ester, Maurine – Cristiane, Rosana, Marta Australien: Barbieri – Foord, Uzunlar, Carroll, Kellond-Knight – van Egmond (61. Shipard), McCallum – Garriock, Butt (85. Polkinghorne) – Simon (79. Kerr), de Vanna Tor: 1:0 Rosana (54.)